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"Fußball ist alles - auch schwul": Noch ein Tabu

Der jüngste „Tatort“ und eine Sport1-Doku über Homophobie im Fußball sorgen für Diskussionen. Jetzt mischt sich sogar DFB-Manager Oliver Bierhoff ein.

Wie schwierig der Umgang mit dem Thema Homosexualität im Profifußball auch in den Medien immer noch ist, zeigte sich wieder am Freitag. Eine Seite widmete die „Bild“-Zeitung dem jüngst ausgestrahlten ARD-„Tatort“ über Homophobie im Fußball und dem Unmut, den dieser Krimi mit Maria Furtwängler hervorgerufen hat. „Ich finde es schade und ärgerlich, dass die Prominenz der Nationalelf missbraucht wird, um irgendein Thema zu entwickeln oder einen Scherz zu machen“, sagte Manager Oliver Bierhoff. In das Drehbuch des „Tatorts“ war eine Verbindung zur DFB-Auswahl eingebaut worden. Der sich im Film später als schwuler Fußballer outende Hauptdarsteller sagte: „Wissen Sie, die halbe Nationalmannschaft ist angeblich schwul, einschließlich Trainerstab. Das ist doch schon so eine Art Volkssport, das zu verbreiten.“ Bierhoff wertete diese Anspielung als „einen Angriff auf meine Familie – die Familie der Nationalmannschaft“.

Starker Tobak, auch gegen den NDR. „Dieser Tatort, der am Sonntag mit überwältigendem Erfolg im Ersten lief, ist bekanntlich eine fiktionale Produktion und keine Dokumentation“, sagt NDR-Fernsehfilmchef Christian Granderath. Natürlich stelle das von Bierhoff monierte Zitat keine Zustandsanalyse der Realität in der Nationalmannschaft dar. Im Film habe der sich als schwul outende Fußballer ganz offensichtlich Gerüchte ironisiert. „Wie man daraus eine vermeintliche Beleidigung unserer Fußballspieler und des Trainerstabes ableiten kann, ist für mich nicht nachvollziehbar.“

Schwer zu sagen, wer sich von der Dokumentation „Fußball ist alles – auch schwul“ angegriffen fühlen wird, die am Sonntag auf Sport1 ausgestrahlt wird. Es handelt sich nach „Das große Tabu“ und „Tabubruch“ um die Fortsetzung der Reihe des Grimme-Preis-gekrönten Autors Aljoscha Pause über Homophobie im Fußball. Bierhoff und das Nationalteam werden sich nicht ärgern müssen. Eher DFB-Präsident Theo Zwanziger, dessen Rolle bei der sogenannten Schiedsrichteraffäre – der angeblichen sexuellen Nötigung von Referee Michael Kempter durch den ehemaligen Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amerell – hinterfragt wird. Bei allem Aktionismus des DFB in Sachen Tabubruch auch nach dem Selbstmord des depressiven Nationaltorwarts Robert Enke – ein medialer Erdrutsch sei diese Affäre gewesen, sagt Sportjournalist Ronny Blaschke. Durch die Schiedsrichteraffäre und deren Behandlung in den Medien habe Homosexualität wieder ein Schmuddel-Image bekommen. Differenzierung sei ein seltener Luxus um Quote und Auflage.

Diesen Vorwurf muss sich nun auch der Hannoveraner „Tatort“ gefallen lassen. Zwanziger verwies am Donnerstag auf die in solchen Filmen praktizierte Überzeichnung des Themas. „Allerdings sollte man bei schwierigen Themen auch sensibel bleiben und nicht durch unwahre und unnötige Randbemerkungen von eigentlichen Aufgaben ablenken.“ Bierhoff kündigte grundsätzliche Überlegungen an, „wie wir mit solchen Dingen umgehen. Dass wir nicht wehrlos sind gegen falsche Unterstellungen aller Art.“

Wie man es zu diesem Thema macht, macht man es verkehrt – diesen Eindruck hinterlässt auch die Bestandsaufnahme von Aljoscha Pause nach eineinhalb Jahren Pause. Zu Wort kommen unter anderem Klaus Wowereit, Zwanziger, Schauspieler Stefan Jürgens, Johannes B. Kerner und Maria Furtwängler. Im Grunde warten alle noch auf einen Wowereit des Fußballs, den ersten Profi, der sich in Deutschland outet. Markus Ehrenberg

„Fußball ist alles – auch schwul“, Sport1, Sonntag, 13 Uhr

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