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Nicht im TV-Bild: Der Protest des Indio-Jungen bei der Eröffnungsfeier der Fußball-WM. Auf seinem Transparent steht „Demarcaçao“ (Abgrenzung). Foto: Reuters

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Fußball-WM und Winter-Olympia: Die Zensur schaut mit

Dank Zeitverzögerung bei der TV-Übertragung: Irans Staatsfernsehen schneidet bei der Fußball-WM genauso Bilder heraus wie die Fifa - oder Russlands Staats-TV bei Winter-Olympia.

Das iranische Staatsfernsehen Irib hat am meisten Angst. Also legt es zwischen die Übertragung der WM-Spiele in Brasilien und der Ausstrahlung im Gottesstaat eine zehn Sekunden lange Verzögerung. Die „Sittenpause“ soll verhindern, dass vermeintlich unmoralische Szenen die Zuschauer in der islamischen Republik verstören. Bilder „nicht dezent gekleideter Frauen“ werden ersetzt durch dezente Motive. Die Eröffnungsfeier erschien dem konservativen Staatsfernsehen derart obszön, dass die gesamte Veranstaltung mit Gewinnspielen, Ausschnitten älterer WM-Spiele und einer Biografie des verstorbenen brasilianischen Stürmers Mané Garrincha „überspielt“ wurde.

Was dem Ajatollah-TV recht ist, ist der Fifa billig. Der Weltfußballverband ist als Veranstalter des Turniers Herr des sogenannten Weltbildes. Auch hier wird mit Zeitverzögerung übertragen. Was dazu führte, dass das globale Publikum bei der Eröffnungsfeier in Sao Paulo anders als die Zuschauer im Stadion eine Szene nicht sehen durfte. Der 13-jährige Fabio, einer der drei Jugendlichen, die drei weiße Tauben in den Himmel steigen ließen, zeigte danach ein Transparent: „Demarcaçao“ (Abgrenzung). Als Hinweis darauf, als Protest, dass das indigene Volk der Guarini, das nahe Sao Paulo lebt, in seinem Lebensraum immer weiter an den Rand gedrängt wird. Solche Manifestationen können weder die Fifa leiden noch die WM-Organisatoren. Also wurden stattdessen unverfängliche, unverändert fröhliche Bilder gezeigt.

An der schnellen Reaktion zeigt sich, dass Veranstalter Fifa und Ausrichter Brasilien aber so richtig auf Zack sind. Bei den Olympischen Winterspielen, im Februar dieses Jahres, öffnete sich bei der Eröffnungsfeier der fünfte olympische Ring nicht. Das Weltpublikum sah das Malheur, die russischen Zuschauer dagegen sahen fünf voll entfaltete Ringe. Das Staatsfernsehen hatte sich eines Bildes aus der Generalprobe bedient. Kein noch so kleiner Makel sollte die perfekte Inszenierung der Putin-Spiele beschädigen.

Russland, Fifa, Iran: Nichts scheint die autokratischen Regimes so zu stören und zu verstören wie die Wirklichkeit im Bild. Entsprechend wird passend gemacht, was nicht passt. Anders: Der Zwerg reinigt die Kittel. Joachim Huber

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