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Medien: Ganz wie im richtigen Leben Hans W. Geißendörfer über Lindenstraßen-Weihnachten

Weihnachten begann in der „Lindenstraße" 1985 „klassisch". Adventskränze oder Lichter standen in den Wohnzimmern, man hat gebastelt und Plätzchen gebacken, man hat gesungen und musiziert, und an Weihnachten selbst gab es „echte" Christbäume, so hoch, dass sie die Zimmerdecke berührten.

Weihnachten begann in der „Lindenstraße" 1985 „klassisch". Adventskränze oder Lichter standen in den Wohnzimmern, man hat gebastelt und Plätzchen gebacken, man hat gesungen und musiziert, und an Weihnachten selbst gab es „echte" Christbäume, so hoch, dass sie die Zimmerdecke berührten. Man ging so gar in den Weihnachtsgottesdienst. Hochgerötete Wangen von Lydia Nolte oder Helga Beimer oder auch von Herrn Schildknecht und Else waren äußere Zeichen der freudigen Hektik, mit der bei Mutter Beimer bis in die jüngste Zeit immer wieder verbrannte „schwarze Raben" auf dem Backblech produziert wurden.

Im Laufe der Jahre und mit den heranwachsenden Kindern hat sich aber vieles geändert, Christbäume wurden aus Draht oder Müll modelliert, eine lebendige Weihnachtsgans als Provokation und als Protest gegen spießbürgerliche Traditionen anstelle des ersehnten Gänsebratens auf den festlich gedeckten Tisch gestellt und aus dem Fest der Liebe wurde bei dem ein oder anderen „Lindensträßler" eher ein Fest der Enttäuschungen und der Einsamkeit. Franz Schildknecht erfror am Heiligen Abend im Hinterhof des Hauses Nr. 3.

Weihnachten wurde realistischer in der „Lindenstraße“, und die christlichen und bürgerlichen Traditionen der „deutschen Weihnacht" wurden nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt, sondern in zahlreichen Geschichten und Dialogen über die Jahre hin diskutiert und in Frage gestellt. Wenn also heute ein Bewohner eine Adventskerze anzündet und sich und seinen Lieben einen Christbaum ins Zimmer stellt, dann tut er dies sehr bewusst und nicht nur zur gedankenlosen Dekoration.

Die „Lindenstraße" ist eben gerade 18 und damit volljährig geworden. Die Leute dort denken mehr nach, reagieren auf die guten und schlimmen Ereignisse in ihrem und im politischen Leben und auf die bestürzend bösen Taten vieler Zeitgenossen. Einfach weitermachen oder ein Standpunkt wie „wir machen es halt so wie jedes Jahr" ist nicht angesagt. Deshalb hat Weihnachten auch in diesem Jahr wieder viele verschiedene Gesichter, fröhliche, besinnliche, sorgenvolle und verzweifelte – eben ganz wie im richtigen Leben.

Der Autor ist Produzent der „Lindenstraße“, heute um 18 Uhr 40 in der ARD.

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