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Gaza-Krieg: "Wir sitzen auf gepackten Rucksäcken"

Zwischen israelischer Zensur und Hamas-Rhetorik: ZDF-Korrespondentin Karin Storch berichtet über den Krieg in Palästina.

Frau Storch, wie sehen Ihre Arbeitsbedingungen aus?



Sehr lange Tage, kurze Nächte, schusssichere Weste, Satellitentelefon und Wasserkocher im Kofferraum, Udo Harnacher, Producer aus Mainz, als Begleiter. 50 Prozent ist Logistik: Auf welchem Feldweg kann man durchs militärische Sperrgebiet im Süden Israels zur Live-Position an der Grenze gelangen, welche Firma bietet den interessantesten Ort an, wo kann man dem Zuschauer ein Gefühl für das vermitteln, was vor sich geht? Geht man in die israelische Kleinstadt Sderot, die seit acht Jahren immer wieder durch militante Palästinenser beschossen wird, oder in ein Kibbuz direkt am Grenzzaun, neben dem die Artillerie steht?

Sie sind dabei, mittendrin sind Sie nicht.

Wenn man bei Raketenalarm mit den Israelis in einen Schutzraum rennt oder an einer Live-Position steht und zweihundert Meter entfernt schlägt eine Kassamrakete ein, dann fühlt man sich schon ein bisschen mittendrin. Aber natürlich müsste man als Journalist im Gazastreifen sein.

Sie haben in den ZDF-Nachrichten nur Zeit für ein paar Sätze. Macht das überhaupt Sinn? Haben wir als Zuschauer eine Chance zu begreifen, was sich abspielt?

Die Herausforderung liegt darin, die Informationen, die ich habe, in kurzer Form verständlich an den Zuschauer weiterzugeben.

Leiden Sie mit den Palästinensern? Oder mit den Israelis?

Als Europäerin halte ich Kriege nicht mehr für die Lösung. Auch gegenüber Hamas waren meiner Meinung nach nicht alle gewaltfreien Mittel ausgeschöpft. Es erreichen uns derzeit Bilder, die einen sehr mitnehmen. Ich rede mit meinem Mann darüber. Ich schlafe miserabel.

Wer manipuliert die Berichterstattung stärker – Israels Armee oder die Hamas?

Ich fühle mich überhaupt nicht manipuliert, wir unterliegen allerdings der israelischen Zensur. Aber die israelischen Streitkräfte haben viel aus dem letzten Libanonkrieg gelernt, die Medienarbeit ist offener und zeitnaher geworden. Hamas-Rhetorik tue ich als solche ab.

Kein Journalist kommt in den Gazastreifen hinein. Sind Sie auf Mutmaßungen angewiesen, was dort passiert? Oder haben Sie andere Quellen?

Ich war zuletzt am 4. Dezember im Gazastreifen, bis vor kurzem fuhr ich regelmäßig hin. Es gibt nach wie vor Telefonverbindungen. Und wir bekommen Aufnahmen und Aussagen von palästinensischen Kollegen überspielt, die wir seit Jahren kennen.

Wenn die Israelis plötzlich die Möglichkeit zum „embedded journalism“ eröffnen würden, gingen Sie dann nach Gaza rein?

Ich habe mich sofort auf die Liste der Journalisten setzen lassen, die eine Möglichkeit erhalten sollten, in den Gazastreifen einzureisen. Die Vereinigung der Auslandspresse in Israel hat ein Gerichtsurteil erstritten, nach dem jeweils sechs Medienvertreter einreisen dürfen. Diese Plätze werden verlost! Bis heute hat Israel aber noch niemanden einreisen lassen. Ich habe für diesen Fall immer im Kofferraum einen gepackten Rucksack.

Viele rätseln, was Israel mit diesem Angriff erreichen will. Wie ist Ihre Antwort?

Die offizielle Antwort kann ich Ihnen geben: Ruhe und Sicherheit für die Bürger Israels. Wenn aber nur herauskommt, dass die Schmuggel-Tunnel bei Rafah für eine Weile außer Betrieb gesetzt sind, die Grenzübergänge nach Ägypten mit EU-Hilfe wieder geöffnet werden, Hamas geschwächt ist, dann verstehe ich nicht, wieso es keine anderen Wege gegeben hat, diese bescheidenen Ziele zu erreichen. Denn dann wird Hamas in ein paar Monaten wieder Raketen auf israelisches Gebiet abschießen.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Karin Storch, 61, ist Leiterin des ZDF-Studios Tel Aviv. In gleicher Funktion hat sie zuvor in Rom gearbeitet. Weitere Korrespondenten-Stationen waren Brüssel, New York, Washington.

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