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Wie aus Millionen von Nutzerdaten handfeste Meinungen werden. Der US-Wissenschaftler David Carroll hat Cambridge Analytica auf Herausgabe seiner persönlichen Daten verklagt. Die Netflix-Doku hat ihn und seinen Rechtsstreit verfolgt.

© Netflix

Gefahr für US-Wahl?: 70 000 fehlgeleitete Stimmen

"Cambridge Analyticas großer Hack": Eine Netflix-Dokumentation warnt vor erneuten Manipulationsversuchen bei einer US-Präsidentschaftswahl.

Der Zeitpunkt für die Dokumentation „The Great Hack – Cambridge Analyticas großer Hack“ könnte aus US-amerikanischer Sicht nicht besser gewählt sein. Das britische Datenanalyse-Unternehmen hatte sich 2016 die Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern verschafft, um zugunsten der Trump-Kampagne Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahl zu nehmen. Nach dem Skandal ist vor der Wahl, derzeit bereiten sich die USA auf die Präsidentschaftswahl 2020 vor, bei der Donald Trump für eine zweite Amtszeit antritt. Cambridge Analytica (CA) hat nach dem Skandal über die Wahlmanipulationen zwar 2018 Insolvenz angemeldet. Die Techniken zur datenbasierten Stimmungsmache existieren jedoch fort und könnten jederzeit erneut angewendet werden.

Im Zentrum der zweistündigen Dokumentation von Netflix stehen vier Menschen, die sich gegen die neuen Gefahren der digitalen Meinungsmanipulation gewendet haben. Zwei von ihnen, die Whistleblower Christopher Wylie und Brittany Kaiser, hatten selbst für Cambridge Analytica gearbeitet, bevor sie sich entschieden, die illegalen und unmoralischen Praktiken des Datenanalyse-Unternehmens öffentlich zu machen. Bei den anderen beiden handelt es sich um den US-Wissenschaftler David Carroll, der Cambridge Analytica auf die Herausgabe seiner persönlichen Daten verklagte, um so zu zeigen, wie das Unternehmen arbeitete, und die „Guardian“-Journalistin Carole Cadwalladr.

Verspielte Visualisierungen

Die Dokumentation stammt vom ägyptischen Filmproduzenten Karim Amer, dessen Film „Rafea: Solar Mama“ über die Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo 2011 für den Oscar nominiert war. Bei „The Great Hack“ war er als Autor, Regisseur und Produzent beteiligt. In der ersten Hälfe wird mit teils sehr verspielten Visualisierungen aufgezeigt, wie aus einzelnen Nutzerprofilen Stimmungsbilder extrahiert werden können, die dann nicht nur für moderne politische Kampagnen – wie bei der Wahl von Barack Obama – genutzt werden können, sondern ebenso für geheime Umsturzaktionen, wie man sie sonst am ehesten der CIA zutrauen würde.

Zur Erinnerung: Cambridge Analytica prahlte damit, mittels 5000 Datenpunkten die Persönlichkeitsstruktur jedes US-Wählers in einem Modell erfassen zu können, das dann für Vorhersagen über Wahlentscheidungen – und im zweiten Schritt zu deren Manipulation – eingesetzt werden kann. „Solche Technologie kann den entscheidenden Unterschied machen. Das wird noch viele Jahre so bleiben“, versprach Alexander Nix, der Ex-Chef von Cambridge Analytica.

[ „The Great Hack – Cambridge Analyticas großer Hack“, Netflix, ab Mittwoch]

Der Trick bei der Trump-Kampagne von 2016 mit dem Projektnamen Alamo bestand darin, die sogenannten Überzeugbaren in den Swing States so mit Blogs, Webseiten, Artikeln, Videos und Anzeigen auf allen verfügbaren Plattformen und zuvorderst auf Facebook zu bombardieren, dass sie bei der Wahl die gewünschte Reaktion zeigten. Am Ende entschieden 70.000 Wähler in drei Staaten den Ausgang der US-Wahl von 2016. Wie so etwas funktioniert, hatte die CA-Mutter SCL zuvor mit Info-Kriegen in Thailand, Trinidad, Indien, Südafrika, aber auch in der Ukraine und Italien gezeigt, heißt es in der Doku.

Ein hehres Ziel ins Gegenteil verkehrt

Wie konnte der Traum von der weltweiten Vernetzung von Menschen so radikal in sein Gegenteil verkehrt werden, dass über die gleichen Netzwerke die Menschen nun gezielt entzweit und gegeneinander aufgehetzt werden? Facebook-Chef Zuckerberg, der bei seinen Aussagen vor dem US-Kongress vor allem durch große Wissenslücken über die Vorgänge in seinem Unternehmen auffiel, gestand immerhin ein, die Gefahren unterschätzt zu haben.

Welche Möglichkeiten globale Netzwerke wie Facebook überhaupt haben, einen solchen Missbrauch von persönlichen Daten zu verhindern, steht auf einem anderen Blatt. Der beste Schutz dürfte wohl in mündigen Nutzern bestehen, die sich nicht allein in ihrer Filterblase aufhalten. Umso wünschenswerter wäre es, dass die Netflix-Doku möglichst bald auch außerhalb des Streamingdienstes einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich wäre.

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