zum Hauptinhalt
Winzige Pause beim Sprechen. Radio Fritz hat eine junge Redaktion zwischen Mitte 20 und Anfang 30. Da ist Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache großes Thema. Andere Sender bilden Diversity-Beiräte oder verweisen auf den Rat für deutsche Rechtschreibung.

© dpa

Gendersternchen in Nachrichten: Sieg der Sterne

Radio Fritz führt Genderzeichen in Nachrichten ein. Andere Sender zögern damit noch. Wäre das nicht auch etwas für die „Tagesschau“?

Nachrichten bei Radio Fritz im RBB werden bald einen Tick länger – und möglicherweise kontroverser. Der Jugendkanal startet als erster Radiosender im ARD- Verbund in seinen Nachrichtensendungen mit einer durchgehend gegenderten Sprechweise.

Nach mehreren Tests habe sich die Redaktion darauf verständigt, vom 1. September an das hochgestellte Gendersternchen zu sprechen „wie eine winzige Pause“, sagte Programmchefin Karen Schmied dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Redakteurinnen und Redakteure von Fritz werden damit jeweils die männliche, weibliche und diverse Form von Personenbezeichnungen nennen.

Eine winzige Pause nur, mit großer Bedeutung. Beim Vortragen werden Sternchen oder andere Genderzeichen wie ein Bindestrich gesprochen: „Künstler-(Pause)innen“. Kommt das bei Hörern an? Wie schwer der Schritt Radio- aber auch Fernsehmachern fällt, zeigt eine Umfrage.

„Der BR ist sich der Sensibilität des Themas bewusst.“ So habe sich innerhalb des Diversity-Beirats des Hauses eine Arbeitsgruppe „Gendergerechte und sensible Sprache“ formiert, die dazu Vorschläge für die Geschäftsleitung erarbeitet, sagt eine Sprecherin des Bayerischen Rundfunks.

Bislang gelte der Grundsatz, den sogenannten „Genderstern“ nicht einzusetzen, da auch der Rat für deutsche Rechtschreibung dazu vorläufig keine Empfehlung ausgesprochen hat. Stattdessen lautet die Devise, geschlechtsneutrale Formulierungen zu verwenden oder durch die explizite Ansprache von Frauen und Männern dem Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit zu entsprechen.

Ähnliches aus Köln. Im WDR beschäftige man sich seit Jahren mit dem Thema „Gendergerechte Sprache“, heißt es, auch im Rahmen eines Diversity-Beirates. „Aktuell verwenden wir das Gendersternchen im Schriftverkehr, nicht auf dem Sender.“ Es werde überlegt, ob auch im Programm, in Online-Texten oder sozialen Medien, eine praktikable Form für gendergerechte Sprache gefunden werden könne.

Der SWR verweist auf eine Leitlinie „Fair in der Sprache“. Eine AG wurde beauftragt, Leitlinien für eine gendergerechte Sprache in den Programmen zu erarbeiten. Ergebnisse lägen allerdings noch nicht vor.

Bleibt das gute, alte Deutschlandradio, dessen einzelne Sender wie Deutschlandfunk Nova sich um neue Zielgruppen bemühen. „Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache wird auch bei uns aufgegriffen, zum einen kontrovers in verschiedenen Sendungen, zum anderen mit Blick auf unseren eigenen Umgang damit. Wir haben Empfehlungen entwickelt, die nicht allein auf die Nennung der Geschlechter zielen, sondern vor allem auf Lust und Kreativität beim Formulieren“, sagt ein Sendersprecher.

„Für die Jüngeren ist Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache ein großes Thema.“

Es handele sich um Anregungen für gendersensible Formulierungen, nicht um ein festes Korsett. „Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen diese Handreichung. Manche entwickeln sie aktuell weiter, auch hörbar, zum Beispiel durch den sogenannten glottalen Plosiv.“

Die Diskussion, wie geschlechtergerechte Sprache aussehen kann, sei, wie bei den meisten Medienunternehmen, beim Deutschlandradio noch im Fluss.

In diesen wird auch der RBB (noch) nicht weiter hineinsteigen. Es werden erst mal keine weiteren Sender wie Radio Eins dem Beispiel von Radio Fritz folgen. „Wir machen Programm für ganz unterschiedliche Zielgruppen, die naturgemäß auch unterschiedliche Zugänge zu diesem Thema haben“, heißt es. Da scheinen Fritz-Hörer eben anders gestrickt zu sein.

Mit der Entscheidung folge die Welle dem Wunsch der Redaktion. „Wir haben eine sehr junge Redaktion zwischen Mitte 20 und Anfang 30. Für die Jüngeren ist Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache ein großes Thema“, sagte Programmchefin Schmied dem epd.

Das treffe auch auf die Zielgruppe zu, welche die Fritz-Welle auf 14 bis 29 Jahre beziffert, die Kernzielgruppe ist zwischen 20 und 25 Jahre alt. Jugendliche machten sich intensiv Gedanken darüber, wie sie die verschiedenen Geschlechter in der Sprache fair berücksichtigen können. Zudem wolle die Redaktion damit ein Zeichen für die Vielfalt der Lebenskonzepte heute setzen.

Zu Anfang sei das Sternchen-Sprechen zwar ungewohnt gewesen und habe auch etwas seltsam geklungen, so Schmied, aber die Nachrichtenredaktion habe sich „sehr schnell daran gewöhnt“. Einen großen Regelkatalog hätten die Redakteurinnen und Redakteure dafür nicht gebraucht. „Pro Satz soll es nicht zu viele Sternchen-Formulierungen geben, sonst klingt es zu verwirrend.“ Dann würden die Sprecherinnen und Sprecher auf geschlechtsneutrale Worte wie „Studierende“ oder „Teilnehmende“ zurückgreifen oder den Satz ganz umformulieren.

Den übrigen Moderatorinnen und Moderatoren außerhalb der Nachrichtenredaktion sei es freigestellt, wie und ob sie die Frage der Geschlechtergerechtigkeit in ihre eigene Sprechweise übernähmen. Schmied ist überzeugt, dass es nach dem Start auch Beschwerden von Zuhörern wegen der neuen Hörerfahrung bei den Nachrichtensendungen geben wird.

Die Redaktion will nach ein paar Monaten Rückmeldungen auswerten und darüber beraten, wie es mit dem Gendern weitergehen soll.

Nun muss die Frage „Wie divers sind die deutschen Medien?“ wegen des Verwendens oder Nichtverwendens von Gendersternchen auch nicht zu hoch aufgeladen werden. Interessant und beschwerdereicher wird es wohl, wenn das Beispiel Fritz-Radio in TV-Nachrichten Schule macht. Es gebe keine Vorgabe, im „heute journal“ oder in den „heute“-Sendungen zu gendern, sagt dazu ein Sprecher des Mainzer Senders. „In den Moderationen, in denen es umgesetzt wurde, hatte es inhaltliche Gründe.“

Dementsprechend die „Tagesschau“. Es sei ein sehr interessanter Schritt, den Radio Fritz geht, sagt Marcus Bornheim, Chef von ARD aktuell. Man diskutiere diese Fragen sehr intensiv und habe verschiedene Varianten als Piloten ausprobiert. Beschlusslage, Stand jetzt, sei, „dass wir für die Sendungen den Genderstern nicht verwenden, weil er derzeit unserem Eindruck nach nicht dem allgemeinen Sprachgefühl entspricht.“

Allerdings sei Sprache dynamisch und daher wolle man dieses Thema weiter genau beobachten. „In unseren Angeboten im Social-Media-Bereich, die sich sehr stark an jüngere Zielgruppen richten, ist der Genderstern durchaus erlaubt, weil er dort etablierter ist.“ Es wird noch eine Weile dauern, bis Zervakis & Co. winzige Pausen in ihre Nachrichtenansprachen packen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false