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Medien: Georgia Tornow im Interview: Die Generalsekretärin

Georgia Tornow, Jahrgang 1948, war unter anderem Chefredakteurin der "taz", Vize-Chefredakteurin der "Berliner Zeitung", leitete bis zu seiner Einstellung eine Zeitlang das Wirtschaftsmagazin "Econy" und war zuletzt Kolumnistin der eingestellten Frauenzeitschrift "Vivian". Die studierte Politologin arbeitete außerdem als TV-Moderatorin und Hörfunk-Kommentatorin.

Georgia Tornow, Jahrgang 1948, war unter anderem Chefredakteurin der "taz", Vize-Chefredakteurin der "Berliner Zeitung", leitete bis zu seiner Einstellung eine Zeitlang das Wirtschaftsmagazin "Econy" und war zuletzt Kolumnistin der eingestellten Frauenzeitschrift "Vivian". Die studierte Politologin arbeitete außerdem als TV-Moderatorin und Hörfunk-Kommentatorin. Seit Anfang dieses Jahres vertritt Tornow, von 1994 bis 1999 Mitglied im Beirat der Berlinale, als Generalsekretärin die Interessen von film 20, einer Gruppe von 20 Produktionsfirmen für Fernsehen und Kino.

Frau Tornow, Sie haben es hier richtig schön. Aber müssten Sie nicht in Mitte residieren, wo sich das neue Berlin tummelt?

Dieses Charlottenburger Büro ist erstmal ein Provisorium, leider. Aber Berlin Mitte ist doch in Wirklichkeit das alte Berlin. Das Neue war schon vor 100 Jahren der Westen - da passt film 20 gut hin. Außerdem muss ich nicht irgendwelchen Ministerialbeamten dauernd auf dem Schoß sitzen, nur weil ich Lobby-Arbeit mache.

Bei film 20 haben sich bisher 17 Produzenten zusammengefunden - ein Kartell?

Unsinn! Wir sind eine Interessengemeinschaft. Wir schließen niemanden aus. Aber wir haben uns bewusst dafür entschieden, als kleine, effiziente Gruppe anzutreten.

Die Speerspitze der Bewegung?

Bisschen altmodisch, der Begriff. Aber: Ja, wir wollen Bewegung in die Verhältnisse bringen. Und erfolgreich sein.

Wie hat man Ihnen den Posten als Generalsekretärin angetragen?

Nicht auf Knien. Ich bin gefragt worden, ganz einfach. Man wollte eine Quereinsteigerin und Außenseiterin. Meine Aufgabe ist Zusammenhalt und Strategiebildung nach innen, Argumentations- und Druck-Aufbau nach außen. Im politischen Raum agieren, das kann ich.

Auf wen wollen Sie Druck ausüben?

Wir verständigen uns gerade über die Prioritäten. Aber klar ist schon: Es gibt sowohl bei der Politik als auch im Verhältnis der Produzenten zu den Fernsehsendern Handlungsbedarf. Denken Sie nur an die anstehende Novelle des Urheberrechts, die Geschäftsbeziehungen mit den Sendern und das weite Feld der Filmförderung.

Noch ein Produzenten-Verein, nur damit die Produzenten künftig öfters im Jahr jammern können, wie schlecht es ihnen gehe?

Wir wollen nicht jammern, sondern handeln. Es geht darum, in einer entscheidenden Situation den Mund aufzumachen. Zum Beispiel in der Frage der Nutzungsrechte. Wenn wir da zu keiner Neuregelung kommen, dann muss man sich die Frage stellen, wie in Zukunft Qualität garantiert werden soll. Die Sender mögen mit den Verhältnissen derzeit ja noch ganz zufrieden sein, weil Preise und Nutzungsregeln ihnen schmecken. Aber auf lange Sicht kommt da ein großes Problem auf alle Beteiligten zu.

Der Produzent liefert ab, die Sender profitieren, weil sie automatisch im Besitz der Nutzungsrechte sind?

Die Sender profitieren übermäßig von jahrelangen Wiederholungsmöglichkeiten. Es gibt Produzenten, die empfinden das als Enteignung.

Die Produzenten sind bislang nicht ganz schlecht gefahren. Was hat sich so dramatisch verändert?

Die Sender haben Kosten und Gewinnmargen festgelegt. Allerdings sind die aktuellen Kosten den alten Listenpreisen davon gelaufen. Der Aufwand für die Entwicklung neuer Stoffe ist gewaltig gestiegen. Da besteht Anpassungsbedarf. Außerdem hat sich die Rolle des freien Produzenten in den letzten Jahren deutlich erweitert. Er produziert nicht nur, er entwickelt den Stoff, arbeitet an Drehbüchern mit, kümmert sich massiv um technische und künstlerische Mitarbeiter. Und der Produzent trägt am Ende das totale finanzielle Risiko. Schlechtes Wetter und Drehausfall interessieren die Sender nicht.

Wollen Sie nicht einfach nur mehr Geld?

Es geht darum, dass die Kreativität der Produzenten und der inzwischen nötige Entwicklungsaufwand anerkannt werden. Das ist nicht nur legitim, sondern selbstverständlich. Und natürlich hat das nicht nur einen Wert, sondern ist auch sein Geld wert.

Geld ist die eine Sache. Aber welche Rolle spielt die Qualität der Produktionen?

Dafür werden anständige Erlöse im deutschsprachigen Markt doch gebraucht. Der deutsche Film hat nicht wie Hollywood automatisch einen Weltmarkt, wo er Kasse machen kann. Deswegen ist es ja so ärgerlich, wenn die Berlinale so wenig deutsche Produktionen präsentiert.

Sie wurden für Ihren Satz, es sei ein Skandal, dass auf der Berlinale kein "genuin deutscher Film" gelaufen sei, mächtig abgewatscht. Fühlen Sie sich missverstanden?

Der Ausdruck "genuin deutsch" holpert, das stimmt. Aber die Definition "Deutsche Produktion" ist nicht nur mein Problem, sondern beschäftigt die ganze Branche. Fragen Sie mal die Filmförderer! Trotzdem bleibt es ein Skandal, dass ein Festival wie das von Berlin nicht bewusst auch so etwas wie eine Leistungsschau deutscher Filme sein will. Es gibt sie durchaus, die spannenden, innovativen, vorzeigbaren Produktionen. Mir zu unterstellen, ich hätte etwas gegen internationale Kooperation, ist absurd.

Haben Sie den Eindruck, das Sie schneller eine schlechte Presse bekommen als andere?

Ach was, ich bin keine verfolgte Unschuld. In meinem Leben habe ich viel gestritten - manchmal werden alte Rechnungen aufgemacht. Und unter Journalisten gibt es eine weitverbreitete Krankheit: Den Genie-Verdacht gegen sich selbst und den Schweine-Verdacht gegen die anderen.

Sie haben sich Ihre Feinde ehrlich erworben.

Könnte man so sagen. Wobei ich um manchen Feind nicht gerungen habe, aber der um mich. Ich bin immer wieder baff, wieso ganz moderne Berufswechsel überhaupt irritieren können. Verblüffung, das könnte ich verstehen, und das mache ich gerne: Verblüffung ist eine Produktivkraft.

Sie erheben das Unstete zum Prinzip?

Wenn Sie meine Arbeits-Biografie meinen, dann kann ich beim besten Willen nichts Unstetes erkennen. Ich bin schon ein paar Jahre 35 - da hat sich ein bisschen was angesammelt an Stationen.

Trotzdem sind Sie in Berlin eine Reizfigur. Von der "taz" zur Generalsekretärin von film 20 - das ist schon eine seltsame Entwicklung.

Ach ja? Die "taz" - gleich links, Filmproduzenten - gleich Wirtschaft - gleich rechts? Wollen Sie mir wirklich so ein albernes Angebot machen? Wenn ich etwas hasse, dann diese verdummende Lagermentalität. Lagerdenken ist keine Herausforderung. Ich denke gerne selbst. Und ich halte mich immer noch für eine anständige Linke und vernünftig antiautoritär. Zwei Sachen finde ich schrecklich: Menschen mit Jugendknall - forever young ist lächerlich - und Menschen, die am Gleichen kleben und das als Treue verkaufen.

Sie haben nichts dagegen, eine öffentliche Reizfigur zu sein?

Ich habe nichts dagegen, wenn man sich an mir reibt. Ich bin neugierig auf Spuren, will welche hinterlassen und will was erreichen - das kann man nicht in Geld aufwerten.

Also keine Angst vor nichts und niemandem?

Doch, im Dunkeln allein zu Haus. Da mache ich sofort Licht.

Frau Tornow[Sie haben es hier richtig schön.]

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