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"Klare Worte" fand Altkanzler Gerhard Schröder nicht nur am Donnerstagabend bei Reinhold Beckmann, genau diese Worte bilden auch den Titel seines neuen Buches, das er mit dem Journalisten Georg Meck gemacht hat. Ein Interviewbuch.

© dpa

Gerhard Schröder bei Reinhold Beckmann: "Natürlich so, wie ich will"

Heute stellt Altkanzler Gerhard Schröder sein neues Buch in Berlin vor, gestern Abend war er in der ARD bei Beckmann und sprach viel über Putin - über Kennedy wusste er weniger Bescheid.

Es gibt einen Moment, als einem als Zuschauer der Atem stockt. Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D., sitzt bei Reinhold Beckmann in der Sendung und grübelt: "1963..., nein das muss später gewesen sein." Beckmann hilft, "doch, doch, am 22.11. 1963 wurde John F. Kennedy erschossen". Schröder sagt, vermutlich sei er da in Göttingen gewesen, Beckmann versucht, sich seine Irritation nicht anmerken zu lassen; ein kurzes Fremdschämen darüber, dass dieser Mann, den er da in der Sendung hat und der sieben Jahre lang Deutschland als Kanzler führte und über sein neues Buch sprechen will, wirklich vergessen haben könnte, was er, bald 70 Jahre, an dem Tag machte, als John F. Kennedy erschossen wurde.

Man muss diese Szene aus der Sendung nicht wirklich überbetonen, aber interessant war sie schon deshalb, weil Schröder, wie schon in seinem Buch, ein wenig unbeholfen versucht, zu erklären, warum ihm die USA fremd sei. "Ich kann es im Einzelnen nicht sagen", sagt er und wieder guckt Beckmann ungläubig. Schröder sagt, er könne in jedem europäischen Land leben, aber eben nicht in dem Land, das für die Deutschen doch der wichtigste Partner ist. Doch was naiv wirkt, ist vermutlich ehrlich: Schröders Herkunft, sein Umfeld und Zuhause, aufgewachsen als Halbwaise in armen Verhältnissen, hat dem Heranwachsenden ganz bestimmt kaum die Chance gegeben, sich mit der Kultur und dem "American way of life" zu beschäftigen. Später hatte er offensichtlich kein großes Interesse, dies nachzuholen.

Beckmann versucht, Schröder zu unterstellen, es habe etwas mit seiner "russischen Seele" zu tun und unterstellt ihm indirekt mit seinen Fragen mehr Sympathie für Russland als für die USA zu hegen, aber das ist, um es mit einem Lieblingswort von Schröder zu sagen, natürlich "Quatsch". Trotzdem bleibt es immer wieder provokant, wenn Schröder, bei Beckmann wie im Buch, Putin und Russland im allgemeinen verteidigt. Immer wieder betont Schröder, dies habe keine hinreichenden privaten Gründe, wie er es formuliert, also weder die Freundschaft zu Wladimir Putin noch die Tatsache, dass er und seine Frau zwei Kinder aus Russland adoptiert haben, sondern einzig aus "historischen Gründen". An dieser Stelle geht es Schröder um den eigentlichen Kern seiner Buch-Botschaft, nämlich um die politische Forderung, mit Russland konstruktiv umzugehen und nicht konfrontativ.

Damals noch kein Kanzlerpaar, aber ein Paar. Doris Schröder-Köpf und Gerhard Schröder im Jahr 1997.
Damals noch kein Kanzlerpaar, aber ein Paar. Doris Schröder-Köpf und Gerhard Schröder im Jahr 1997.

© Imago

Als es um die Kosten für die Olympischen Winterspiele in Sotschi geht, muss man dann aber doch nochmals tief einatmen, als Schröder lächelnd Sotschi mit Stuttgart 21 vergleicht und findet, es gehe ihm überhaupt nicht darum, die Probleme in Russland zu verharmlosen, aber wir Deutschen seien nicht gerade dafür geeignet, "mit dem gehobenen Finger herumzulaufen". Ansonsten haken Beckmann und Schröder vor allem die Agenda des Buches ab, Agenda 2010, Elefantenrunde 2005, NSA, und Schröder darf entspannt darauf hinweisen, wie er rückblickend seine Taten beurteilt. Er tut dies mit dem Hinweis auf die Lied-Auswahl seiner Frau Doris Schröder-Köpf für seinen Großen Zapfenstreich, als "My way" von Frank Sinatra ertönte, was wiederum auch ein bisschen die angebliche Fremdheit Schröders zu Amerika widerlegt.

Jenseits der aktuellen Debatten über eine notwendige neue Agenda oder über die Rentenpläne der großen Koalition, die Schröder kritisiert, bleibt dann aber doch noch ein umfassender Eindruck haften. Trotz seiner Eitelkeit und dem gern demonstrierten Selbstbewusstsein, vor allem im Fernsehen, wünscht man sich wieder mehr Schröders in der Politik. Man kann sich an ihm reiben und man hat trotzdem Spaß. Eine interessante Mischung.

Noch interessanter aber ist es Schröder zuzusehen, wenn es um seine Kinder und seine Familie geht. Der "Stern" titelte in dieser Woche "Schröder. Sein trauriges Leben nach der Macht." Nach Lektüre des Magazins muss man sich Schröders Leben so vorstellen: Seine Frau macht nun Karriere in der Politik, er weiß nicht, was er tun soll und muss auch noch wegen der Kinder lukrative Termine absagen.

Was immer auch die Wahrheit ist, bei Beckmann spricht auch ein bald 70-jähriger Mann, der keinen Vater als Erzieher hatte und der als Kanzler keine Zeit für seine Familie haben konnte, der nun Pausenbrote schmiert, die Kinder zur Schule bringt und auch mal auf Elternabenden auftaucht. Muss das jetzt ein schlechtes, ein trauriges Leben sein? Schröder macht nicht den Eindruck, es wirkt auch nicht verlogen, wenn er sagt, er sei "stolz auf seine Frau" und die Zeit mit den Kindern empfinde er als "ein großes Glück". Und wie, fragt Beckmann am Ende, möchte er sein weiteres Leben noch verbringen. "Natürlich so, wie ich will."

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel. Lesen Sie auch die umfangreiche Rezension des Buches "Klare Worte. Gerhard Schröder über Mut, Macht und unsere Zukunft."

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