zum Hauptinhalt

Medien: Goldene Nase für die „Hörzu“

Der guten alten Dame „Hörzu“ ging es auch schon besser. Viel besser sogar, was die Anzeigenwerbung betrifft.

Der guten alten Dame „Hörzu“ ging es auch schon besser. Viel besser sogar, was die Anzeigenwerbung betrifft. Aber ihr Chefredakteur, Jörg Walberer, hatte auf Betreiben der Verlagsleitung eine wunderbare Idee: „Wie wäre es, wenn wir in Zukunft eine Goldene Kamera an Leute geben, die auf den Werbegeldern sitzen?“ Also wurde rasch eine „Goldene Kamera Marketing Academy“ ins Leben gerufen, die in diesem Jahr zum ersten Mal den „besten TV-Werbespot“ auszeichnet. In der virtuellen Marketing-Lehranstalt sitzen 41 Experten der Werbebranche. Entweder aus den dicksten Agenturen – oder aus den Firmen mit den dicksten Werbeetats. Damit die 39 Herren und die beiden Alibi-Damen nicht auf eigene Gedanken kommen, machte die „Hörzu“ eine kluge Vorauswahl: Keine Spots, die fröhliche Geschichten erzählen. Sondern Testimonials, also Filmchen mit Promis aller Art. Auf diese Weise war auch gleich bleibende Langeweile gewährleistet. Unternehmen, die sich einen Beckenbauer, Häkkinen, Harald Schmidt oder Gottschalk leisten können, haben auch den einen oder anderen Euro für eine „Hörzu“-Anzeige übrig.

So wundert es wenig, dass die drei nominierten Spots aus recht ansehnlichen Konzernen kommen: Mercedes mit Mika und Erja Häkkinen. BMW mit Juan Pablo Montoya und Gerhard Berger. Nestlé mit Oliver Kahn. Inwieweit der gemeine Fernsehzuschauer die Werke gut findet, bleibt als Frage hinter der Bühne.

Er wird Mühe haben, sich an die Spots zu erinnern. Am ehesten noch an Lion. Der Riegel macht offenbar so aggressiv und größenwahnsinnig, dass Oliver Kahn im Bewusstsein des guten Rechts einen Gegenspieler im Nacken würgte. Die beiden anderen Filme kennen allenfalls noch die beteiligten Produktionsfirmen. Aber ist das wichtig? Der Zuschauer hat zwar die Filme bezahlt. Aber ausgegeben wird das Geld von den Marketingfürsten der großen Unternehmen.

Außerdem folgt die „Hörzu“ einem Trend, den bereits der Verband der Zeitschriftenverleger mit vermeintlichem Erfolg aufgegriffen hat: Man muss den Werbeleuten um den Bart gehen. Sie sind eitel bis unter die Fußnägel. Werden sie öffentlich auf die Bühne gerufen, kann sogar ihr Mütterlein sehen, dass aus ihnen was geworden ist. Und der Typ aus dem Golfclub erst recht.

Somit steht fest: Wenn Thomas Gottschalk (ausgerechnet!) heute im Konzerthaus am Gendarmenmarkt die Reklame-Kamera anmoderiert, hat einer der müdesten Spots gewonnen. So oder nicht anders.

Reinhard Siemes

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false