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Medien: Heiligt der Spendenzweck jedes Fernsehmittel?

Eine

der Galas von Joachim Huber

Das Ergebnis ist ein Rekord. 10,25 Millionen Euro hat die von Sat 1 ausgerichtete Spendengala für die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien erbracht. Dies ist der höchste bisher erreichte Betrag einer Benefizsendung im deutschen Fernsehen. Schon der „Silvesterstadl“ in der ARD hatte über fünf Millionen Euro an Spenden eingesammelt, die BenefizSendung „Wir wollen helfen: Ein Herz für Kinder“ von „Bild“ und ZDF am Dienstagabend wird weitere Millionen erbringen. Zusammen mit den vielen anderen Spendenaktionen wie der „Zeit“ und dieser Zeitung, in Berlin, in Deutschland und überall auf der Welt werden schätzungsweise viele hundert Millionen Euro zusammenkommen für die Menschen, denen der Tsunami Freunde und Angehörige genommen und die Existenz geraubt hat.

Es sind die Schilderungen, die Fotos und vor allem die Fernsehbilder, die erst das Ausmaß der Katastrophe gezeigt haben und zeigen und dann die Aktionen und Reaktionen an Hilfe auslösen. Eine Spendengala wie die von Sat 1 fokussiert beides. Die höchste Not, das größte Elend, unfassbares Unglück wird vom Fernsehen in der gleichen Sekunde kontrastiert mit Rettung, Hilfe, persönlichem Glück, der Tod und das Leben, hier wird es in einer Weise zusammengeschoben, wie es die allermeisten Menschen vor dem Fernseher gar nicht kennen. Wirklich helfen kann kaum einer, indirekt helfen beinahe jeder – mit seiner Spende.

In seiner Dramaturgie der verdichteten, hochgeschürzten Emotion gerät jede Benefizgala an den Rand von klebrigem Kitsch und peinsamem Gutmenschentum. Können Menschen jemals betroffener sein als die Betroffenheits-Matadore Karl Moik, Kai Pflaume und Johannes B. Kerner? Natürlich können sie es, wenn sie eben persönlich betroffen sind; und doch braucht es diese Fernsehprofis, damit der Empathie-Pegel stimmt und der alles überragende Zweck erreicht wird: Geld, so viel Geld als möglich zu sammeln für die Opfer. Und wenn sich so honorige Persönlichkeiten wie der Altkanzler Helmut Schmidt ( der mehr als einmal über das Medium Fernsehen geschimpft hat) nicht zu fein sind, die Spendenmaschine bei Sat 1 auf höchste Touren zu bringen, dann mag abschalten wer will. Bei mehr als zehn Millionen Euro an Spenden wird die Frage nach der Geschmackssicherheit solcher Galas nachrangiger. Denn eines sind sie, zielsicher in ihrer Wirkung beim Zuschauer und Spender. Dazu gehört die falsche und die verlogene, die gespielte und die trainierte Emotion. Es wird übertrieben, der dauergegelte Pflaume gibt erneut den TV-Dressman, die Elendsbilder sind mit Musik zugeschmalzt, und allmählich wird deutlich, was wirklich stört: Wenn eine Spendengala keine andere Form findet als jede andere Unterhaltungsshow.

Für die anderen, denen das überbordende Gefühlsfernsehen unerträglich ist, für diese gibt es die mit kühlem Blut gearbeiteten Nachrichten und, zum Beispiel, die Talkshow „Beckmann“. Hier werden nicht Kinder zur Kollekte durchs Fernsehstudio geschickt, hier wird aus größerer Distanz und von leicht intellektueller Höhenlage aus vom Schicksal und seinen Schlägen berichtet. Auch hier wird geweint, die Spenden-Hotline ist geschaltet, 1,2 Millionen Euro kommen rein. Die Gala und das Gespräch, das sind die zwei Seiten der Fernseh-Flut-Medaille.

Für das Medium ist es kein Schade, wenn es den Quoten-Profit der Schreckensbilder zurückzahlt mit Bildern von Galas, mit Storys von Betroffenen, mit Berichten von globalen und individuellen Hilfsaktionen. Und trotzdem, nach den Sondersendungen und den Benefiz-Galas, taucht die nächste Frage auf: Wann ist viel zu viel? Die Sat-1-Gala „Deutschland hilft“ ab 20 Uhr 15 erreichte 3,36 Millionen Zuschauer und war damit das Schlusslicht der 20-Uhr-15-Programme; gemessen an der Spendensumme war die Quote gering. „Beckmann“ um 23 Uhr dagegen wurde von 2,71 Millionen gesehen. Wer Pflaume nicht ertragen kann, der sieht Beckmann, wem Beckmann zu spät kommt, der erträgt Pflaume. Spenden können beide.

Mit den Quoten, speziell bei der Sat-1-Sendung, hängt eine Beobachtung zusammen: Viele Zuschauer sind der Bilderflut von Not und Elend müde. Sie weichen bereits aus, nicht nur den einschlägigen Sendungen, sondern auch anderen Programmen aus Härte und Hoffnungslosigkeit. Dass der bonbonfarbene Pilcher-Film am Sonntag den „Tatort“-Krimi in der Zuschauergunst überflügelt, ist ein Indiz. Ein Indiz, dass das „Traumschiff“ schon bald wieder auslaufen muss. Gerne auch nach Südostasien.

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