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Medien: Heuchler in der ersten Reihe

Eine

von Joachim Huber

Also, das war gar nicht nett von den Produzenten und den Redakteuren der ARD. Sie haben ihre braven Chefs betrogen, sie haben Product Placement und Schleichwerbung nicht nur zugelassen, sie haben sie aktiv betrieben. Was soll Peter Voß, der Intendant des Südwestrundfunks, dann auch anderes beklagen als: „Die ARD ist nicht Täter, sondern Opfer.“ Und die Täter waren viele, wie die neu eingerichtete ARD„Clearingstelle“, eine Art Saubermann e.V., bei Prüfung der Produktionen festgestellt hat. Die Schleichwerbung wie das Product Placement waren gängige Praxis, zwar nicht in den Eigenproduktionen der ARD-Sender, sondern bei den Auftragsproduktionen der ARD. Viele davon sind in den Tochterfirmen verschiedener ARD-Sender hergestellt worden. Das Peinsame daran: In den Aufsichtsgremien dieser Unternehmen sitzen die Opfer-Intendanten. Von den bösen Praktiken der Täter haben sie nichts bemerkt. Was die Aufsichtsräte geleistet haben? Treu geguckt und Kekse gegessen.

So eine Intendanz ist ja auch ein schwieriges Amt, ganz viele Termine, ganz viele Pflichten, ganz viele Nebentätigkeiten und Funktiönchen, wer will sich da um Unterschichten-Fernsehen wie die Daily Soap „Marienhof“ kümmern? Peter Voß, zum Beispiel, dichtet gern und viel („Zwischen den Kratern“). So ein Reim braucht seine Zeit. Auch die Schleichwerbung für die eigene Person fordert den ganzen Voß. Der SWR-Chef hat sich wiederholt auf dem Bildschirm an der Seite von Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki platziert.

Die Täter bleiben allein zurück. Sie müssen Buße tun. Die Opfer haben ihnen einen harten Maßnahmenkatalog auferlegt. Schleichwerbung und Product Placement gehen da nicht mehr. Sollen die Redakteure und Produzenten doch zusehen, wie sie ohne die Sach- und Geldleistungen Dritter ein zuschauerträchtiges Programm zusammenbekommen. Die Intendanten haben ganz andere Sorgen.

Der Programmdirektor der ARD, Günter Struve, hat bei der Ifa die Hoffnung geäußert, dass die Programme der ARD in den „nächsten drei, vier Jahren“ die saubersten Sendungen dieser Fernsehwelt sein werden, frei von übler Schleichwerbung und giftigem Placement. Struve ist diese Chef-Mischung aus Realismus und Scheinheiligkeit. Scheinheilig, weil er jedes Mitwissertum um die falschen Programm-Ingredienzen leugnet. Realistisch, weil er weiß, dass die ARD und ihre Anstalten sich mit der plötzlich entdeckten Ehrlichkeit ein faustdickes Problem eingehandelt haben: Wer bezahlt das Programm der ARD? Bisher gilt bei der ARD, beim ZDF und bei der kommerziellen Konkurrenz diese Faustregel: Wenn eine Serie 13 Folgen hat, dann sind bestenfalls elf Folgen eigen- und der Rest ist fremdfinanziert. Künftig muss komplett mit „sauberem“ Geld produziert werden. Das hält das System drei, vier Jahre durch. Dann ist Saubermann e.V. pleite. Voß, 64, und Struve, 65, haben sich zu diesem Zeitpunkt in andere Lebensumstände verabschiedet. Anders die aktuell überführten Täter, die sitzen noch immer in den ARD-Anstalten ein und arbeiten hart an ihrer Resozialisierung.

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