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Wer zuerst kommt, schießt zuerst. Zischl (Maximilian Brückner) zieht es zur alljährlichen Jagd der Ministerpräsidentin.

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"Hindafing", die zweite Staffel: Hier fliegt die Kuh

„Wenn du schon bescheißt, dann bescheiß bitte richtig!“ Auch die Fortsetzung von „Hindafing“ zeigt Bayern als weiß-blauen Wahnsinn.

Auf einer Treibjagd schießt er versehentlich die Ministerpräsidentin ins Koma. Dann geht er in der Schwitzhütte auf einen Meskalin-Trip à la Carlos Castaneda. In der zweiten Staffel der Politgroteske „Hindafing“ um einen korrupten Landtagsabgeordneten liegen Politik und Wahnsinn dicht beieinander.

Alfons Zischl (Maximilian Brückner) ist ein Opportunist ohne Ideale und Verantwortungsgefühl. Um sich medienwirksam ins Gespräch zu bringen, lässt der Ex-Bürgermeister des Kuhdorfs Hindafing sich mit dem Chef einer angeschlagenen High-Tech-Schmiede ablichten.

Was die Firma produziert? Für Details hat Zischl wie immer keine Zeit. Dumm nur, dass er beim Rundgang durch den Betrieb plötzlich ein martialisches Sturmgewehr in Händen hält – im Blitzlichtgewitter der Reporter. Als unfreiwilliger Waffenlobbyist scheint die Karriere des angehenden Landtagsabgeordneten jäh beendet zu sein.

Doch dann beschließt die bayerische Polizei eine massive Aufrüstung. Zischl, der Trottel, ist dank seiner Beziehungen Mann der Stunde. Prompt manövriert das eulenspiegelhafte Schlitzohr sich in neue Probleme.

Die zweite Staffel der Politserie „Hindafing“ [Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15] knüpft dort an, wo die erste aufhörte. In einem Atemzug mit „Fargo“ wurde die anarchische Provinzposse genannt, die auch als bajuwarische Antwort als „Breaking Bad“ bezeichnet wurde.

Vergleiche mit US-Vorbildern sind allerdings nicht hilfreich. „Hindafing“ ist eine Mundart-Serie. Doch nicht nur der bayerische Akzent, für Ohren nördlich des Mains zuweilen nur mit Mühe verständlich, garantiert eine bizarre Form von Authentizität.

Vor allem die Themen sind eine Blütenlese von Aufregern der vergangenen Jahre. Es geht um das Hickhack um das untaugliche Sturmgewehr G36 und um einen islamistischen Schläfer, der von einem Neonazi in der Bundeswehr zum Reichsbürger umgepolt wird. Natürlich sind das Klischees, was denn sonst? Doch diese werden hemmungslos gegen den Strich gebürstet.

Welches Potenzial in den Öffentlich-Rechtlichen steckt

Sogar das Auftauchen uralter RAF-Terroristen, die für ihr Fluchtauto erst einmal ein Starthilfekabel benötigen, kauft man dieser Serie ab. Untermalt von David Reichelts jazzigem, immer leicht verbogen klingendem Soundtrack setzt die Geschichte von Niklas Hoffmann, Rafael Parente und Boris Kunz (der auch Regie führt) immer dann noch einen drauf, wenn man glaubt, es könne nicht noch absurder kommen.

Den drei Absolventen der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München gelingen albtraumhafte Bilder, wie man sie in einer deutschen Serie selten sieht. Selbst vor einer Splatter-Einlage schreckt die Serie nicht zurück. Und in der wohl schönsten Szene bekommt Zischl sogar eine Ohrfeige vom Papst höchstpersönlich. Begründung: „Wenn du schon bescheißt, dann bescheiß bitte richtig!“

Mit Verve spielt Maximilian Brückner diesen gehetzten Antihelden, der von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt. Jede seiner Notlügen zieht einen noch größeren Schwindel nach sich. Um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, lässt der kerngesunde Zischl gar eine Chemotherapie über sich ergehen. Worauf er mit seiner hochschwangeren Freundin um die Wette kotzt.

Nein, politisch korrekt ist diese sechsteilige Serie, die rechte und linkte Diskurse lustvoll durch den Kakao zieht, nicht. Gediegene Unterhaltung für ein Prime-Time-Publikum sollte man auch nicht erwarten: „Wir sind hier nicht beim ‚Tatort'“, heißt es einmal beiläufig.

„Hindafing“ zeigt, welches Potenzial in den Öffentlich-Rechtlichen steckt. Mit dieser Serie lässt der Bayerische Rundfunk die Kuh fliegen. Ohne falsche Rücksichtnahme auf guten Geschmack und hohe Einschaltquoten.

Manfred Riepe

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