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Medien: Hitlers Ostfeldzug: Vierteilige Dokumentation

Hätte die grausamste Phase des Zweiten Weltkriegs, Hitlers Ostfeldzug, verhindert werden können? Bisher war es nur ein Gerücht, eine aufsehenerregende Vermutung, dass Stalin zu Beginn des Krieges bemüht war, über Geheimdienstkontakte einen Frieden mit Nazi-Deutschland zu schließen.

Hätte die grausamste Phase des Zweiten Weltkriegs, Hitlers Ostfeldzug, verhindert werden können? Bisher war es nur ein Gerücht, eine aufsehenerregende Vermutung, dass Stalin zu Beginn des Krieges bemüht war, über Geheimdienstkontakte einen Frieden mit Nazi-Deutschland zu schließen. Der britische Fernseh-Historiker Laurence Rees führt nun erstmals den Beweis, dass es diese Geheimdienstkontakte wirklich gab - in der vierteiligen Dokumentation "Hitlers Krieg im Osten" (ab heute im Ersten, 21 Uhr 45).

Mindestens zweimal habe Stalin im Juli 1941 ein diplomatisches Einlenken ventiliert. Fakt ist dass Hitler nie daran gedacht hat, einen derartigen Frieden zu schließen. Was folgte, war ein Krieg von beispielloser Grausamkeit, ein titanischer Zusammenprall zweier skrupelloser Diktatoren. Er löste die Vernichtung der Juden aus und forderte insgesamt über 30 Millionen Tote. Der Krieg mit der Sowjetunion bestimmte den Ausgang des Zweiten Weltkriegs - und prägte das Antlitz Europas im Kalten Krieg.

Über den Ostfeldzug ist ausgiebig publiziert worden, doch vieles davon drehte sich allein um die Schlacht von Stalingrad - noch dazu aus einem zumeist einseitigen Blickwinkel. In der BBC/NDR-Koproduktion wertet der mehrfach ausgezeichnete Journalist Rees erstmals Akten und Filmmaterial aus Sowjet-Archiven aus, in Zusammenarbeit mit dem renommierten Historiker Ian Kershaw. Über einen früheren Berater von Michail Gorbatschow erhielt er etwa Zugang zum Moskauer Präsidialarchiv und stieß auf Dokumente, die besagen, dass Stalin im Oktober 1942 kurz davor stand, aus Moskau zu fliehen. Die deutschen Truppen lagen vor der Stadt - doch der Sowjetführer entschloss sich, um jeden Preis zu siegen. "Wie dicht standen wir hier vor einer historischen Wende, davor, dass sich die Weltgeschichte ganz anders entwickelt hätte!", beschreibt Rees die Bedeutung dieser Dokumente.

Während seiner rund vierjährigen Recherchen sprach der Journalist und sein internationales Team mit russischen Zeit- und Augenzeugen, befragte Menschen in Moskaus Hochhauswohnungen, in Hütten der russischen Steppe und auf entlegenen Bauernöfen der Ukraine. Und die schildern ihre Erlebnisse erstmals ohne Angst vor Zensur und staatlichen Repressalien. Aber auch auf der anderen Seite, bei den deutschen Zeitzeugen, stieß Rees auf eine überraschende, oft erschreckende Offenheit: "Für viele war es die letzte Möglichkeit im Leben, die Wahrheit zu sagen. Und den meisten ist es leichter gefallen, diese Wahrheit einem englischen Produktionsteam anzuvertrauen."

Die unvoreingenommene britische Sicht des "Jahrhundertkriegs" - "abseits der Achse des Konflikts" (ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann) - und die Nüchternheit in Schnitt und Kommentar ist die besondere Stärke der Dokumentation, die im englischen Fernsehen eine Einschaltqoute von 14 Prozent erreichte. Rees bezeichnet sich selbst als "eine Art Purist", auf Rekonstruktionen und nachgestellte Szenen verzichtet er deshalb gänzlich. Ein Purismus, der der Serie gut tut.

Robert Bongen

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