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Medien: Im Auge des Flamingos

„Park Avenue“ ähnelt mehr Grzimeks Zeitschrift „Das Tier“ als „Vanity Fair“

Die neue Zeitschrift „Park Avenue“ soll die „deutsche Vanity Fair“ werden. Eine Zeitschrift, die auf niveauvolle Weise vom Leben der Reichen und Berühmten erzählt.

In Deutschland wird übrigens auch regelmäßig „der deutsche New Yorker“ ausgerufen. Das ist etwa so sinnvoll, als ob man in New York „die amerikanische PDS“ gründen würde. Die Länder sind in Geschichte und Kultur halt doch unterschiedlich. Und eine deutsche „Vanity Fair“ gibt es längst. Es ist, ob man sie nun mag oder nicht, die „Bunte“. In einer Zeit der Armutsängste und der Wertesehnsucht ist ein Reichenfachblatt auch nicht unbedingt die erste Marktlücke, die einem einfiele. Immerhin hat Chefredakteur Alexander von Schönburg ein Buch über „stilvolles Verarmen“ geschrieben. Der Niedergang der europäischen Aristokratie geht immer weiter: Jetzt müssen die armen Kerle schon so anstrengende Jobs wie Chefredakteur annehmen.

„Park Avenue“ gehört zu den Heften, in denen man den Anzeigenteil vom redaktionellen Teil nur schwer unterscheiden kann, mit schönen Fotos und Texten von bekannten Autoren, bei deren Lektüre man aber oft denkt: „Das hat er jetzt ganz schnell für viel Geld und mit relativ wenig Leidenschaft geschrieben. Normalerweise ist er besser.“ Die Titelstory heißt: „Endlich! Der deutsche Film hat wieder Stars“. Über die These, dass der deutsche Film endlich wieder Stars habe, steht allerdings seit 1955 jedes Jahr mindestens ein Artikel in der „Süddeutschen“. Die Wiedergeburten von Johannes Heesters und Zarah Leander heißen laut „Park Avenue“ ausgerechnet Sebastian Koch alias Albert Speer und Alexandra Maria Lara alias Hitlers Sekretärin. Speer und sie: Der Führer wird in der Hölle vor Eifersucht toben!

Die Geschichten sind oft recht seltsam geschrieben, so, als ob die Autoren total zugekokst gewesen wären. In einer Geschichte steht: „Er ist intensiv, was er keineswegs verbirgt. Er trägt seine Intensität wie eine zweite Haut. Der Zweiundvierzigjährige strahlt etwas Leuchtendes, Heftiges, ja Wildes aus. Er hat dichtes Haar, gesunde Zähne und ausdrucksstarke Augen.“

Man denkt, es ist ein Pferd. Es soll aber Tom Cruise sein. Das Porträt von Frau Lara klingt dagegen so, wie sie vermutlich im Hochadel über die Weihnachtsgans reden: „Matt glänzt ihre Haut, und ihre zarten Knochen und delikaten Formen haben Modelproportionen.“ Eine Geschichte handelt vom „tiefen Fall“ des, ehrlich gesagt, längst vergessenen Kanzlerberaters Michael Steiner. Der lebt jetzt im „Exil“, und zwar in Saus und Braus „am Rande von Genf“. Das Interview geht so: „Mögen Sie eigentlich Kaviar? Er lacht: Um die Wahrheit zu sagen: Ich liebe Kaviar.“ Steiner sagt aber auch nachdenkliche Sachen, zum Beispiel: „Das Böse am Bösen ist, dass es böse macht.“ Michael Graeter schreibt ellenlang darüber, dass an der Côte d’Azur oft in Villen eingebrochen wird („Unter den deutschen Millionären macht sich Unbehagen breit“). Das Thema verstehe ich zum Beispiel überhaupt nicht. In Millionärsvillen ist nachweislich bereits im alten Ägypten häufig eingebrochen worden, darüber existieren 5000 Jahre alte Papyri im Museum von Kairo.

Mein Lieblingsstück aber ist das Porträt der ehemaligen „Vogue“-Chefredakteurin Angelica Blechschmidt, persönlich verfasst vom „Park Avenue“-Chefredakteur. Auszug: „Angelica Blechschmidt mag keine Flamingos. Wieso? ,Diese Augen, tot wie Glas.’ Spatzen halte sie für ,extrem beseelt’. ,Im Ritz gab es eine Fliege, mit der ich mich angefreundet habe’, erzählte sie einem Freund einmal, ,sie begrüßte mich, wenn ich das Zimmer betrat. Sie kam mit zum Bad und zum Frühstück.“ Das erinnert weniger an „Vanity Fair“, wohl aber an eine andere Zeitschriftenlegende, nämlich die einst von Bernhard Grzimek herausgegebene Schrift „Das Tier“.

Zwar enthält das erste Heft auch ein paar gute Stories, zum Beispiel Porträts des Millionärs Abramowitsch und des Whiskytrinkers Scholl-Latour. Generell aber lässt sich sagen, dass der vollständige Verzicht auf Ironie oder auch nur Distanz zu den Reichen und Schönen kein weiser Entschluss des Verlages Gruner + Jahr waren. Die statt dessen eingenommene ehrfürchtige bis devote Pose gibt „Park Avenue“ einen starken Zug ins unfreiwillig Komische. Die „Bunte“ ist in ihrer Haltung intelligenter. Doch, doch, das ist sie.

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