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Medien: Im Namen der Kirche

Für das ZDF durfte ein Filmteam erstmals im Geheimarchiv der römischen Inquisition drehen

Auch der Vatikan hat seine Opferakten. Die Ermittlungen der 1542 von Papst Paul III. ins Leben gerufenen römischen Inquisition wurden eifrig aufgezeichnet – offenbar haben Geheimdienste seit jeher eine Neigung zur Bürokratie. Doch erst seit 1998 werden Forscher und Journalisten in das Archiv dieser mächtigen kirchlichen Behörde eingelassen, die Strafgericht und ältester Geheimdienst der Welt zugleich ist. Eine wahre Schatzgrube sind diese Räume im Palast des „Sanctum Officium“, denn die Inquisitionsbehörde existierte bis zum 2. Vatikanischen Konzil 1965, auch wenn auf Foltern und Verbrennen längst verzichtet worden war. Kardinal Ratzinger, der als Leiter der Glaubenskongregation die zweifelhafte Ehre hat, der direkte Nachfolger der Inquisitoren zu sein, ließ sogar das Fernsehen hinein. „Der Eindruck entstand, nach dem ZK der KPDSU sei dies das einzige Archiv, das das Licht der Öffentlichkeit scheuen müsste. Das durfte nicht sein“, sagt Ratzinger im ZDF. Freilich bleiben die meisten Akten des 20. Jahrhunderts gesperrt.

Die Berliner Ziegler Film erwarb die weltexklusive Drehgenehmigung – für einen „fairen Preis“, wie Produzentin Claudia Bissinger beteuert, ohne Zahlen nennen zu wollen. Was Regisseur Jan Peter mit dieser immensen Chance anzufangen wusste, ist nun in dem ZDF-Dreiteiler „Die geheime Inquisition“ (heute sowie am 19. und 26. Januar, jeweils 19 Uhr 30) zu sehen. „Da weht einen der Hauch der Geschichte an, wenn man Todesurteile wie das gegen Giordano Bruno nicht als Abstraktion, sondern konkret vor sich sieht“, berichtet Peter ehrfürchtig über die Dreharbeiten im Vatikan. Ebenso ehrfürchtig schweift die Kamera durch die Flure, doch allein auf Bilder von staubigen Akten und auf Kommentare des neuseeländischen Forschers Peter Godman („Der Schrecken der Inquisition bestand hauptsächlich in einer Kultur des Verdachtes“) mochten sich der Regisseur und sein Autor Yury Winterberg nicht verlassen. Ein Dokudrama sollte es sein, was zum einen in Mode ist und zum anderen zu dem vorgesehenen Sendeplatz am Sonntagabend bestens passt. Dort verwandeln die Mainzer Kompliziertes aus Geschichte und Archäologie in unterhaltsame „Expeditionen“, auch mit den Mitteln zumeist dürftiger Spielszenen. Das ist allerdings bei dem 2,5 Millionen Euro teuren Inquisitions-Dreiteiler diesmal anspruchsvoller geraten. Zwar brennt zu Beginn der unvermeidliche Scheiterhaufen (für Giordano Bruno), doch weniger für die Opfer als für ihre Ankläger interessierte sich das Filmteam.

Hochkarätige Schauspieler wie Sylvester Groth und Dieter Mann dürfen in historisch detailgetreu angefertigten Kostümen Männer wie den Inquisitor und Giordano- Bruno-Richter Antonio Santori (1532-1602) und den Reformpapst Benedikt XIV. (1675- 1758) mimen und einigermaßen gelungene Schlüsselszenen aus deren Leben spielen. So wird Geschichte zwar anschaulich, aber Hintergründe und Zusammenhänge bleiben in den ersten beiden Folgen auf das Notwendigste beschränkt. Dass etwa die Kirche in Europa vor dem Papstbeschluss von 1542 schon seit Jahrhunderten vermeintliche Ketzer oder missliebige Gruppen durch die Inquisition verfolgte, erfährt man nur nebenher.

Die dritte Folge („Wächter der Kirche“, 26. Januar), eine eher klassische Dokumentation mit nur einer Spielszene, fällt aus dem Rahmen. Hier spannt die Reihe den Bogen in die Gegenwart und informiert über die erstaunliche Karriere Ratzingers, der als Reformer im 2. Vatikanischen Konzil entscheidenden Anteil am Ende der römischen Inquisition hatte und nun als mächtiger Präfekt der Glaubenskongregation ebenso entscheidenden Anteil daran hat, dass einige Prinzipien der Inquisition überlebt haben. Am selben Sonntag schließt eine Podiumsdiskussion (23 Uhr) die Reihe im ZDF ab – ohne Ratzinger, aber mit Joachim Wanke, dem Bischof von Erfurt.

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