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© ddp

Im Porträt: Der Marathon-Mann

Früher rauchte er Kette, jetzt treibt er Ausdauersport – die Schauspielerei lernte Ken Duken vor der Kamera.

Mit dem eigenen Namen ist es so eine Sache. Kommt man auf die Welt, ist schon jemand da, der ihn für einen ausgesucht hat. Als Ken Duken geboren wurde, hatte der Vater, ein Arzt, entschieden: „Es ist doch ganz einfach: Duken wie ,Du Ken’." So wurde aus der zweiten Silbe des Nachnamens ein Vorname.

Ken Duken klingt nicht gerade nach einer deutschen Herkunft. Das mag vielleicht auch der Grund sein, weshalb man den gebürtigen Heidelberger oft für internationale Produktionen bucht. Für ihn selbst ist es eine Chance. Er hat Filme in Italien, Frankreich und England gedreht. Vergangenes Jahr spielte er in der norwegischen Kinoproduktion „Max Manus“ den Gestapo-Offizier Siegfried Fehmer. Sie wurde zur erfolgreichsten in Norwegen seit 30 Jahren. Hierzulande provoziert der ungewöhnliche Name des Schauspielers mitunter genauso ungewöhnliche Rollenangebote. Vor kurzem hat Ken Duken ein Projekt abgesagt, in dem er einen Mann spielen sollte, der den ganzen Film lang mit amerikanischem Akzent spricht. Er sagt: „Da versuche ich allen Leuten begreiflich zu machen, dass ich Deutscher bin, und dann hampel’ ich als Amerikaner durch einen Film. Das ist doch Mist.“

Er sitzt im Schwarzen Café, einem seiner Lieblingscafés, in Charlottenburg und gibt Interviews zu seinem neuen Fernsehfilm. „Flug in die Nacht - das Unglück von Überlingen“ läuft am 29. Juli in der ARD und erzählt von einer wahren Begebenheit. Im Jahr 2002 kamen bei einer Kollision eines russischen Passagierflugzeugs und einer DHL-Frachtmaschine über dem Bodensee 71 Menschen ums Leben. Ein Lotse der für das Unglück verantwortlichen Flugsicherungsfirma in Zürich wurde anderthalb Jahre später ermordet.

Ken Duken spielt diesen Fluglotsen. Er sieht in der Rolle etwas bieder aus, mit kurzärmeligem Hemd, Seitenscheitel und Brille. Im Café trägt der Dreißigjährige weite Klamotten, etwas zersauste Haare und einen Mehrtagebart. Hinter dem zwanglosen Äußeren verbirgt sich jedoch eine extreme Selbstbeherrschung. Noch vor zweieinhalb Jahren paffte er 60 bis 80 Zigaretten am Tag. Jetzt lebt er gesund und läuft. Während des Interviews trinkt er grünen Tee und Biobrause. „Ich habe das Potenzial zum Exzessiven“, sagt er, „und das habe ich einfach in eine andere Richtung gelenkt.“ Bereits zwei Mal hat er am Marathon in Hamburg teilgenommen, in Berlin rannte er die halbe Strecke und die 25 Kilometer. Ken Duken ist trainiert, muskulös und gut aussehend. Mit diesen männlichen Vorzügen wird er auch gern besetzt: als tollkühner Freibeuterkapitän „Störtebeker“ (2005), als aufbrausender Bundeswehrsoldat in dem Drama „Willkommen Zuhause“ (2007) oder ganz galant und edel als „König Drosselbart“ (2008).

Aufgewachsen ist er in Garmisch-Patenkirchen. Seine Mutter ist die Schauspielern Christina Loeb, sein Onkel ist ebenfalls Schauspieler. Durch sie lernte er früh diesen Beruf kennen. Als kleiner Junge besuchte er das Kurtheater Garmisch und das Freilichttheater, in dem seine Mutter vor 1500 Zuschauern auftrat. „Die Schauspielerei“, sagt er, „war für mich der Inbegriff der Freiheit. Alles was man normalerweise nicht machen durfte, durfte man auf der Bühne tun. Und dann war klar: Ja da will ich hin.“ Auslöser war das Theaterstück „Bericht aus einer Akademie“ von Franz Kafka, in dem sein Onkel den Affen spielte. Diese Verwandlung, sagt er, habe ihn besonders fasziniert.

Mittlerweile haben viele deutsche Schauspieler aus dem Fernseh- und Kinoalltag einen Lebenslauf ohne Zeugnisse. Ihre Lehrzeit bemisst sich stattdessen an der Vielzahl ihrer Rollen. „Ich bin in erster Linie der meistausgebildete Autodidakt“, sagt Ken Duken über sich. Nach einem Casting stand er bereits als 18-Jähriger in Bernd Böhlichs TV-Film „Blutiger Ernst“ das erste Mal vor der Kamera. Seitdem hat er den „Flimmerkasten“ nicht mehr verlassen: „Polizeiruf 110“, „Rosa Roth“, „Nachtschicht“. „Ich hatte zu schnell zu viel Erfolg, um den Drang zu haben, an eine Schauspielschule zu wollen“, sagt er. Für seine Kinorollen in „Kiss & Run“ (Annette Ernst) und „Eine andere Liga“ (Buket Akalus) bekam er 2005 und 2008 den Adolf-Grimme-Preis. In diesem Jahr hat er für seine Darstellung des Kriegsheimkehrers Ben Winter im ARD-Film „Willkommen Zuhause“ den Bayerischen Filmpreis erhalten. Spätestens mit der Rolle des traumatisierten Bundeswehrsoldaten waren die Lehrjahre des Ken Duken endgültig vorüber. Bei der Preisverleihung war er aufgeregt. Die Dankesrede hat ihn Überwindung gekostet. „Wenn ich vor Leuten reden muss“, sagt er, „habe ich einen Stock im Hintern“.

Es gibt unter Schauspielern die Theorie, dass die Bühne ein Wundermittel für Schüchterne ist. Sie lässt Zeit, Raum, Kontrolle vergessen. Ken Duken ist im Leben ein eher ruhiger Typ, der erst mal abwartet, was passiert. Er reagiert lieber, statt zu agieren. Lacht einer, lacht er mit. Vielleicht ist die Zurückhaltung ein Zeichen von Unsicherheit. Oder von Vorsicht. Seine Mutter hat ihm beigebracht: „Man kann nicht verletzt werden, man kann sich nur verletzen lassen.“ Jemand, der mit solch großen Worten aufwächst, hat vermutlich gelernt, wie man sich am besten schützen kann.

In dem Film „Flug in die Nacht – das Unglück von Überlingen“ gibt es eine bedrückende Szene. Vier Stühle stehen vor vier Computerplätzen, nur ein Stuhl ist besetzt. Der Fluglotse, den Ken Duken spielt, verfolgt vor den Radarschirmen Signale, telefoniert. Als ihn unerwartet ein verspätetes Flugzeug um Landeerlaubnis bittet, verliert er plötzlich den Überblick. Was sonst Routine ist, mündet in eine Katastrophe, die eintreffenden Notrufe bleiben unbeantwortet. „Der Lotse ist in eine Kette von Fehlern geraten“, sagt Ken Duken über seine Filmfigur. „Was ich von ihm gelernt habe ist, dass so etwas jedem passieren kann. Perfekte Menschen gibt es nicht.“

Über einen „gesunden Menschenverstand“ habe er sich dieser Rolle genähert. Er nahm keinen Kontakt zu den Hinterbliebenen auf. Je fiktiver eine Figur für ihn bleibt, desto freier kann er sie spielen. Ken Duken ist in seiner Arbeit sehr gewissenhaft. Für ein bis zwei Drehs sagt er 20 weitere Projekte ab. Demnächst ist er in Til Schweigers „Zweiohrküken“, der Fortsetzung der Erfolgsproduktion „Keinohrhasen“, zu sehen. „Hätte mich vor ein paar Jahren jemand gefragt, ob mir Erfolg wichtig ist“, sagt er, „hätte ich verneint. Heutzutage weiß ich, dass Erfolg bedeutet, das machen zu können, was man will“.

Gleichzeitig weiß er aber auch, dass der Erfolg jederzeit wieder ausbleiben kann. Und was wäre dann? „Ich würde andere Wege gehen“, sagt er, „in einer Kleinkunstbude irgendwo in Buxtehude spielen. Oder als Koch in einer kleinen Küche arbeiten. Das ist doch auch sehr kreativ“.

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