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Im RADIO: Hölderlin, Humus, Häuser

Tom Peuckert verrät, was man in den nächsten Tagen im Radio nicht verpassen sollte.

Die ermittelnde Privatdetektivin in Joy Markerts Krimi „The Beat Goes On oder Die Hölderlinakte“ trägt den exotischen Vornamen Cher. Dabei ist diese Cher Ebinger doch ein echtes Kind der württembergischen Provinz. Ihr neuester Fall führt sie tief in den Humus der Regionalgeschichte. Am Neckarstrand liegt eine Leiche ohne Kopf, ein Tübinger Ehemann ist spurlos verschwunden, alles hat mit geheimnisvollen Dokumenten zu tun, die den Fall Hölderlin betreffen. Bekanntlich verbrachte der kranke Dichter seine letzten Lebensjahrzehnte im Tübinger Turm, umsorgt von wohlmeinenden Bürgern. Und nun entdeckt Cher Ebinger, dass am Neckar Vergangenheit und Gegenwart noch immer dicht beieinanderliegen (SWR 2, 4. November, 22 Uhr 03, Kabel UKW 107,85 MHz).

Die Schriftstellerin Elfriede Brüning wird in diesen Tagen 100 Jahre alt. Als junge Frau schrieb sie Feuilletons, in der Nazizeit und später in der DDR erschienen zahlreiche Romane, die nicht zur herrschenden Ideologie passten, aber trotzdem als Unterhaltungsliteratur durchgingen. In Sabine Kebirs Feature „Schreiben ist beglückender als die Liebe und niemals so quälend wie die Eifersucht“ erzählt die körperlich gebrechliche, aber geistig hellwache alte Dame aus ihrem Leben. Leitmotiv in Biografie und Werk ist die kulturelle Auf- und Umbruchsexistenz der Frau im 20. Jahrhundert. Brünings Heldinnen erfahren die Spannung zwischen Beruf, Mutterschaft und Familie schmerzhaft am eigenen Leibe. Archetypische Konflikte, die das private Leben der Autorin bestimmt haben (Deutschlandfunk, 5. November, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

Als der Schriftsteller Peter Weiss vor gut dreißig Jahren seinen Roman „Ästhetik des Widerstandes“ veröffentlichte, hatte das höchst paradoxe Folgen. Weiss war Marxist, doch er wollte über Stalins Verbrechen nicht schweigen. Sein Buch wurde von vielen Linken in der DDR begeistert gelesen, aber die Behörden erteilten dem Autor ein Einreiseverbot. „Das Leben – ein Zwiespalt“ heißt Lutz Volkes Lange Radionacht über Peter Weiss, die nicht nur die Geschichte dieses bemerkenswerten Romans erzählt. Weiss schrieb zwei weltberühmte Theaterstücke und war ein intellektueller Held der Achtundsechziger. Eine Radionacht lang porträtiert Lutz Volke einen leisen Avantgardisten, der als Jude aus Deutschland vertrieben wurde und dessen Werk später die deutschen Wunden beharrlich umkreiste (Deutschlandradio Kultur, 6. November, ab 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Fast 20 Jahre hat der Russe Warlam Schalamow in sowjetischen Arbeitslagern verbracht. In der Winterkälte Sibiriens, wo die Temperaturen jederzeit auf minus 50 Grad fallen können. Schalamow hat die Lager überlebt und später darüber Geschichten geschrieben, die als Weltliteratur noch zu entdecken sind. Lakonische, erfahrungstiefe Protokolle eines Aufenthalts in der menschengemachten Hölle. Eine Woche lang liest der Schauspieler Hanns Zischler nun Schalamows „Erzählungen aus Kolyma“. Beeindruckende Studien über Menschen am Kältepol der Existenz (Kulturradio vom RBB, 8.–12. November, 14 Uhr 30; Wiederholung 23 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Ein alter Mann kehrt nach langer Abwesenheit in sein Haus zurück. In diesen Wänden hat er als Kind gelebt, hier wohnten seine Eltern und sogar schon die Großeltern. Ein Gedächtnispalast ist dieses Haus, mit jedem neuen Raum betritt der Alte einen neuen Raum seiner Erinnerung. Das Haus führt ihn zurück in die Abgründe der deutschen Geschichte, aber auch zu ganz privaten Ängsten vor Sprach- und Gedächtnisverlust. „Unterwegs im Haus“ heißt Jürgen Beckers Monolog für einen erinnerungstrunkenen Mann, den Otto Sander mit großer Eindringlichkeit zu Gehör bringt (Deutschlandfunk, 9. November, 20 Uhr 10).

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