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Im RADIO: Idioten, Kafka, Partisanen

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten.

Wer sind die "Idioten des Westens"? In einer Serie von Kurzhörspielen berichtet Autor Matthias Eckoldt über diesen zeitgenössischen Sozialtypus. Die Idioten leben angespannt auf der Höhe der Möglichkeiten, die unsere Konsumgesellschaft bietet. Über Trends und Styles, Hypes und Moden wissen sie fast alles. Informiertheit ist ihre Obsession. Aber das moderne Wissensfieber hat kuriose Nebenwirkungen. Der Zusammenstoß von endlicher Lebenskraft und unendlicher Information bringt die Idioten in Bedrängnis. Bei zu vielen Wahlmöglichkeiten wird Wählen zu einem grotesken Übel. Es kommt zum rasenden Stillstand (Kulturradio, 2. bis 4. und 7. bis 11. Juli, jeweils 14 Uhr 15, UKW 92,4 MHz).

Franz Kafka ist als Schmerzensmann in die Literaturgeschichte eingegangen. Wir wissen von quälendem Unwohlsein in menschlicher Gesellschaft. In seinem preisgekrönten Hörspiel "Kein Brief gestern, keiner heute" hat Autor Matthias Baxmann die traurigen Beziehungsgeschichten des literarischen Genies noch einmal rekonstruiert. Ein Mann, der sich vor der Elementargewalt des Vaters ebenso fürchtet wie vor den Zumutungen solider Bürgerlichkeit, einer Ehe etwa. Aus Kafkas Briefen und Texten hat Baxmann eine elegische Partitur der Weltangst komponiert (SWR 2, 4. Juli, 22 Uhr 03, Kabel UKW 107,85 MHz).

Hanns Eisler hat sich für den Marxismus entschieden. So gut man sich als hochbegabter Komponist eben für eine Weltanschauungslehre entscheiden kann. Der Schönberg-Schüler wollte politische Musik machen und dem Kampf um eine gerechtere Welt dienen. Aber Eislers schönste Lieder sind doch Elegien geworden. Vielleicht, weil er seine besten Jahre als Filmkomponist im kalifornischen Exil verbringen musste und später unter Stalins Kulturpolitik litt. In seiner langen Radionacht "Komm ins Offene, Freund" erzählt Wolfgang Seifert mit viel Musik und historischen O-Tönen von Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Künstlers (Deutschlandradio Kultur, 5. Juli, 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Was wir schon immer über die Graffitiszene wissen wollten, aber mangels Greifbarkeit ihrer Protagonisten nie fragen konnten, gibt es nun in Günter Beyers Feature "Narrenhände oder Die Zeichen an der Wand" zu hören. Ästhetische Partisanen erzählen von ihrer Sprüh-Arbeit im städtischen Raum. Von Ideen und Idealen, Solidarität und Konkurrenz, offenen Botschaften und geheimen Symbolen. Handelt es sich hier um die letzte Erscheinungsform einer Kunst, die den Bürger wirklich noch provoziert? Gar um Krankheit, wie ein empörter deutscher Innenminister einst diagnostizierte? Bei Beyer reden auch Opfer der Farbattacken und beamtete Grafittigegner über ihre Sicht der Dinge (Deutschlandfunk, 1. Juli, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Im Jahr 2013 wird in Berlin das höchste Haus der Welt gebaut. Der Architekt träumt von einer Kommune für Begüterte. Im Haus gibt es tolle Eigentumswohnungen, aber auch Shopping Malls, Restaurants, Banken, Kinderspielplätze. Ein autarkes Gesellschaftssystem, nach außen gut bewacht, innen irgendwie friedlich und fröhlich. Aber dann fällt ein Mensch vom Dach und die Bewohner der geschlossenen Idylle regredieren zu furchtbaren Primaten. "Hochhaus" heißt der Roman des Briten James Graham Ballard über eine Luxus-Utopie des 21. Jahrhunderts und ihr bitteres Ende. Autor Paul Plamper hat daraus eine dreiteilige Radiofassung gemacht, die das anthropologische Exempel ganz in unsere Nähe rückt (Deutschlandradio Kultur, Teil 1 am 7. Juli, 0 Uhr 05).

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