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Medien: Im Radio: Lebensdramen

Im Jahr 1912 diagnostizierten die Ärzte bei Katia Pringsheim, verheiratete Mann, eine versteckte Tuberkulose. Sie empfahlen das Hochgebirge.

Im Jahr 1912 diagnostizierten die Ärzte bei Katia Pringsheim, verheiratete Mann, eine versteckte Tuberkulose. Sie empfahlen das Hochgebirge. Die Frau des berühmten Schriftstellers reiste nach Davos, dort besuchte sie ihr Gatte. Was daraus geworden ist, wissen Literaturhistoriker und Millionen begeisterter Leser. Man kann ja diesen wunderbaren "Zauberberg"-Roman jederzeit zur Hand nehmen, um das vergangene Jahrhundert im Spiegel seiner frühen Symbolik zu erforschen. Wer aber von tausendseitigen Romanen a priori in Schrecken versetzt wird, der sollte es zunächst mit einer Radiofassung des großen Erzählwerks versuchen.

Zwei zauberhafte Hörspielstunden in Hofrat Behrens dämonischem Sanatorium, wo der junge Hans Castorp aus Hamburg sich noch einmal in eine schrägäugige Russin verliebt, wo der Aufklärer Settembrini und der Jesuit Naphta die Welt in Grund und Boden reden, wo erste Röntgenapparate Furcht und Schrecken verbreiten. Mit sanfter Ironie führt Udo Samel als Erzähler durch die ästhetische Höhenluft von Davos, an seiner Seite eine Menge glänzend disponierter Schauspieler. Eine Reise zurück in die verlorene Zeit, als der bürgerliche Kosmos sich noch durch Gebirgssanatorien und so dezente Krankheiten wie Lungenschwindsucht symbolisieren ließ (Deutschlandfunk, heute, 20 Uhr 05, UKW 97,7 Mhz).

Wenn der junge Danny, Hauptfigur in Tim Staffels Drama "Stopper", mit seiner Freundin über die deutsche Autobahn rast, dann liegt die ganze feinziselierte Mythenwelt schon in Trümmern. Dannys Vater ist ein alter Nazi, seine Freundin kommt aus einer Familie, wo sie und ihr Bruder jede Nacht missbraucht wurden. Nun klicken Handfeuerwaffen, und in einem alten Ford Mustang geht die Reise Richtung Apokalypse. Ist diese dramatische Radikalfinsternis nun die künstlerische Symbolsprache unserer Gegenwart? Oder nährt sich hier ein Diskurs über soziale Gewalt von allzu viel Kinoblut? Die Radioinszenierung des Dramas jedenfalls fasziniert durch ihre Musikalität, durch die jungen, lebendigen Stimmen - und auch durch ein paar geniale schwarze Pointen des Autors (Deutschlandradio Berlin, am Montag um 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Der Rest der Radiowoche ist Bildung. Lassen Sie sich nicht das Feature über Ilse Ollendorf-Reich entgehen: Erinnerungen an ihre Ehe mit dem verrückt-genialen Weltverbesserer Wilhelm Reich (Deutschlandradio, Dienstag, 0 Uhr 05). Erfahren Sie alles über Sinn und Unsinn des Schamanismus (Deutschlandfunk, Donnerstag, 20 Uhr 10). Wie weit sich die Liste fortsetzen lässt, entnehmen Sie bitte Ihrer Programmzeitschrift.

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