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Im RADIO: Liebhaber des Schmutzes

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten

Jakob Böhme war Schuster in Görlitz. Eines Tages blieb er nicht länger bei seinen Leisten, sondern fing an zu philosophieren. Er schrieb tausende Seiten über Gott, die Natur und den Menschen. Hegel hat ihn später den ersten deutschen Philosophen genannt. Böhme starb vor fast 400 Jahren, aber noch heute findet er begeisterte Leser. Ronald Steckel hat 220 Sätze aus seinem Werk ausgewählt und sie von insgesamt 140 Laien sprechen lassen. Sein stimmgewaltiges Hörspiel „Aurora“ ist eine Hommage an einen Denker, der behauptete, er schreibe nur auf, was die Stimmen der Natur zu ihm gesagt hätten (SWR 2, 28. September, 22 Uhr 03, Kabel UKW 107,85 MHz).

Mittlerweile ahnen wir, dass es keinen Hochleistungssport ohne Doping gibt. Der Körper ist eine Maschine, Sportler sind die GTI-Modelle, Trainer arbeiten wie Ingenieure. In dem Feature „Perfect Body Tuning“ erzählt Lorenz Rollhäuser von den gängigen Methoden, um eine Körpermaschine in Schwung zu bringen. Was die Natur nicht freiwillig herausrückt, wird ihr mit Stimulantien aller Art abgepresst. Wir hören Sportler, die bis obenhin voll sind, Fahnder auf der Spur verbotener Substanzen, Aussteiger, Dealer und solche, die sich kulturphilosophische Gedanken über das Dealen gemacht haben (Deutschlandradio Kultur, 29. September, 18 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Charles Dodgson alias Lewis Carroll ist die Hauptfigur im Hörspiel „Ich markiere den Tag mit einem weißen Stein“. In seinem ersten Leben ist Carroll ehrbarer Mathematikdozent an der Oxford University, im zweiten aber Erfinder von Alice und ihren Abenteuern und obendrein ein enthusiastischer Fotograf sehr junger Mädchen. Der Autor Matthias Scheliga nimmt Carrolls Vita als Exempel für die Abgründe, die sich in einem Menschenleben zwischen Kindheit und Erwachsensein auftun können. Sein Held hat es nie akzeptiert, dass er der Welt einen Reifeprozess schuldet. Erwachsenwerden heißt sich freiwillig tot stellen. Ein Verzicht auf die Annehmlichkeiten, die das Leben nur für Kinder bereithält (Kulturradio, 30. September, 14 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Von einer Sache, die wir gar nicht mögen, erzählt Uta Rüenauver in ihrem Feature „Schmutz“. Es erzählt von den unendlichen Anstrengungen, die Menschen unternehmen, um den Schmutz in Schach zu halten. Doch zahlreich sind auch die Irrwege, auf die der Schmutz uns führen kann. Wer Schmutz allzu direkt mit Krankheit und Chaos gleichsetzt, ist vielleicht selber schon krank. Deshalb kommen im Feature auch Liebhaber des Schmutzes zu Wort. Von den faszinierenden Seiten des Schmutzes wird geredet und von den Möglichkeiten, eine richtige Verschmutzung als Quelle der Befreiung zu begreifen (Deutschlandfunk, 30. September, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Wenn sich die Konsumgüterindustrie etwas Neues einfallen lässt, wird das sofort an die große Glocke gehängt. Wesentlich diskreter läuft das Geschäft in den Waffenschmieden. Natürlich werden auch hier immerzu neue Dinge erfunden, aber man hört wenig davon. Autor Albrecht Kieser hat es geschafft, Einlass in einige deutsche Rüstungsfirmen zu finden. Sein Feature „Sanfte Waffen für harte Zeiten“ erzählt, was Bundeswehr und Polizei demnächst in ihre Köcher stecken können, um militante Gegner unserer kulturellen Ordnung zur Vernunft zu bringen. Von weitreichenden Elektroschockern ist die Rede, von flächendeckenden Mikrowellen und von Lärmkanonen, mit denen eine ganze Vorstadt in Schach gehalten werden kann. Sogenannte „nicht tödliche Waffen“, die mit unseren zivilisatorischen Idealen harmonieren, wie zumindest ihre Befürworter meinen (Deutschlandfunk, 2. Oktober, 19 Uhr 15).

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