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Im RADIO: Parallelwelten und andere Collagen

Wolf Haas, Alexander Kluge und Hans Fallada: Was es in den nächsten Tagen zu hören lohnt.

In den Medien gelten sie oft als größte soziale Problemgruppe in Deutschland. Die Kurden aus dem Libanon, die während der achtziger Jahre als Bürgerkriegsflüchtlinge kamen und seither am Rand der Gesellschaft leben. Ihr öffentliches Bild ist stereotyp: großfamiliär abgeschottet, integrationsunwillig, nicht selten kriminell organisiert. Radioautor Detlef Michelers hat es geschafft, hinter diese abschreckende Fassade zu blicken. In monatelanger Recherche hat er sich einigen kurdischen Familien angenähert und am Ende offene Türen gefunden. Sein Feature „Familienbande“ erzählt aus einer Parallelwelt, die vielfältiger ist, als die schwarzen Klischees ahnen lassen (Kulturradio vom RBB, 1. Februar, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Die Krimis des Österreichers Wolf Haas führen häufig in nationale Abgründe. Die glorreichen Mythen der Heimat werden ins moralische Zwielicht gerückt. Im Hörspiel „Silentium“ trifft es die schöne Stadt Salzburg, die schöne Festspiele hat und eine noch schönere katholische Tradition. Aber nun findet sich eine abgehackte Hand in der klerikalen Internatsschule, und Privatdetektiv Simon Brenner soll diskret klären, wem diese Hand einst gehörte. Schon nach kurzer Ermittlung stößt Brenner auf Dinge, die in Salzburg niemand so genau wissen möchte (Deutschlandfunk, 4. Februar, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Noch immer gehört der nun 80-jährige Alexander Kluge zu den großen Intellektuellen des Landes. Ein Geschichtsdenker, Geschichtenerzähler, philosophischer Artist. Für sein preisgekröntes Hörspiel „Die Pranke der Natur“ hat Regisseur Karl Bruckmaier Beiträge Kluges zu einer aktuellen Katastrophentheorie gesammelt und beeindruckend collagiert. Kluge über den Glockenschlag atomarer Explosionen, über die Zeichen, die das Unglück von Tschernobyl an die Wand schrieb und Kluge über eben jene Pranke der Natur, die dem Menschen so oft die schönsten Luftschlösser zerschlägt (Deutschlandfunk, 4. Februar, 20 Uhr 05).

Im Moment feiert der Schriftsteller Hans Fallada eine Art Comeback. Seine Romane werden im Ausland begeistert gelesen, und die Woge strömt nun auch in die Heimat zurück. Das biografisches Feature „… als hätte sich jemand ganz wundervoll betrunken“ von Autor Wolfgang Rödel erzählt von Falladas Jahren in Mecklenburg, die zu den glücklichsten seines Lebens gehören. 1933 kauft er im Dorf Carwitz ein Anwesen, lebt dort verborgen als Landmann, schreibt insgesamt 18 Bücher und übersteht äußerlich unbeschadet Krieg und Nazizeit. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte: Falladas innere Leiden sowie die Alkohol- und Drogensucht sind allerdings auch im idyllischen Mecklenburg nicht zu überwinden (Kulturradio vom RBB, 5. Februar, 14 Uhr 04).

Bücher werden geschrieben und gedruckt, damit ein Leser sie aufschlägt. Immer wieder finden wir Exemplare, die Gebrauchsspuren zeigen: Anstreichungen, Fettecken, lose Einbände. Über ganz andere Schicksale meditiert das Feature „Die Ungelesenen“ von Florian Felix Weyh. Eine Art philosophischer Schauder hat den Autor erfasst beim Gedanken an die vielen Bücher, die von niemandem je zur Hand genommen werden. In Bibliotheken finden sich uralte Bücher, deren Seitenbögen bis heute nicht aufgeschnitten sind. Ein Menetekel für die Sinnlosigkeit geistiger Mühen. Der Autor schlägt einen Bogen bis in die Gegenwart: Wird wirklich alles gelesen, was so zahlreich auf den Büchermarkt drängt? (Deutschlandfunk, 5. Februar, 20 Uhr 05).

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