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Im Radio: Rollläden wie Fallbeile

Die nächsten Tage im Radio: Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten.

Die deutschen Lehrer stehen unter Druck. Sie sollen unsere Jugend fit für den globalen Wirtschaftskrieg machen, aber auch allerhand Erziehungsschäden reparieren. Sie sollen konsequent Autorität ausüben, ohne den Freiheitsrechten ihrer Schüler zu nahe zu treten. Wolf Eismanns Feature „Frontlinie Klassenzimmer“ unternimmt einen Streifzug durch die konfliktreiche Welt der deutschen Lehrerschaft. Wie Pädagogen heute über ihren Beruf denken, woran sie leiden und was sie stärkt. Welche Rolle die Politik spielt und ob sogenannte Bildungsgipfel wirklich das deutsche Schulsystem verbessern können (SWR 2, 7. April, 22 Uhr 05, Kabel UKW 107,85 MHz).

Die heutige Jugend, so diagnostizierte der Leipziger Orthopäde Moritz Schreber Mitte des 19. Jahrhunderts, wachse schlaff und bewegungsarm auf. Als Vademecum empfahl er seine „Special- und Armengärten“. Hier könne sich der Nachwuchs durch Arbeit im Grünen ertüchtigen, Haltungsschäden korrigieren, von unkeuschen Gedanken abgebracht werden. Die lebensreformerische Idee machte Schule, die Epoche der Kleingärtnerei war eröffnet. Im Feature „Schrebers Garten“ erzählt Michael Lissek von einem Kernelement der neueren deutschen Mythologie. Der Schrebergarten als Ort pragmatischer Genüsse, aber auch bürokratischen Terrors. Eine deutsche Erfolgsgeschichte, die bis in die Gegenwart andauert (Deutschlandradio Kultur, 10. April, 18 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

„Ich taste erst mal Ihre Aura ab“, sagt der Geistheiler zu seiner Patientin. Sie leidet an einem besonders bösartigen Blutkrebs, die Schulmedizin kann nichts mehr für sie tun. In letzter Not hat sie sich an einen Mann gewandt, der ihre beschädigte Aura reparieren soll. Beate Lehners Feature „Ich sehe was, was du nicht siehst“ erzählt vom Gewerbe der spirituellen Heiler in Deutschland. Eine schrille, verwirrende, oft groteske Szene. Der alte Glaube an Übersinnliches und paramedizinische Kräfte findet sich hier in vielen neuen Geschäftsmodellen verwertet. Die Autorin, die an rheumatischen Beschwerden leidet, lässt es auf einen Selbstversuch ankommen (SWR 2, 11. April, 14 Uhr 05).

Eben hat Historiker Joseph Maria Stachelmann seine Habilitationsschrift vollendet, da wird vorm Unigebäude auf ihn geschossen. Im Internet starten Unbekannte eine Rufmordkampagne gegen seine Forschungen. Hat alles mit Stachelmanns Studie über das Konzentrationslager Buchenwald zu tun? Eine deutsche Schreckensstätte, in der zuerst die Nazis und später die Russen ihre Gegner gefangen hielten. Als eine Studentin in seinem Büro ermordet wird, beschließt Stachelmann, vor Ort in Buchenwald nach Antworten zu suchen. „Lüge eines Lebens“ heißt Christian von Ditfurths zweiteiliges Hörspiel, das aus der deutschen Geschichte einen spannenden Kriminalfall macht (Deutschlandradio Kultur, 12. April, 21 Uhr 33; Teil 2 am 19. April).

Deutschland Ende der sechziger Jahre. Peinlich saubere Eigenheimsiedlungen, in denen abends halb zehn die Rollläden wie Fallbeile hinuntergehen. Brüllende Verkehrsschneisen durch den letzten städtischen Winkel. Deutschland ist hässlich. Keiner hat das so eindringlich beschreiben können, wie Rolf Dieter Brinkmann, die poetische Stimme der 68er-Revolte. „To a world filled with compromise we make no contribution“, heißt Brinkmanns kunstvolle Schimpftirade, die zum 70. Geburtstag des früh verstorbenen Autors ins Radio kommt. Ein Album depressiver Momentaufnahmen aus Deutschland, eine Satire auf den offiziellen Kulturbetrieb des Landes. Der Text eines zornigen jungen Mannes, der ein Magier der deutschen Sprache gewesen ist (Deutschlandfunk, 13. April, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

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