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Im RADIO: Sozis, Spieler, Amerikaner

Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet: Die Hörfunk-Woche im Blick von Tom Peuckert.

Vor anderthalb Jahrhunderten erfanden in Leipzig ein Schuhmachermeister und ein Zigarrenarbeiter die Sozialdemokratie. Sie organisierten einen Zusammenschluss deutscher Arbeiterbildungsvereine und baten einen exzentrischen Journalisten aus Schlesien, den Vorsitz zu übernehmen. Dieser hieß Ferdinand Lassalle, und er erwies sich als echter Glücksgriff für die neue Bewegung. Gerhard Pötschs Feature „Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet“ erzählt von den Anfängen einer eindrucksvollen politischen Erfolgsgeschichte (Kulturradio vom RBB, 15. Mai, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Kurz vor seinem Tod im Jahr 1947 wird der Dichter Antonin Artaud um einen Beitrag zur französischen Radio-Sendereihe „La voix des Poètes“ gebeten. Statt über Poesie zu dozieren, verwandelt Artaud das Radio in einen surrealen Kunstraum. In wilden Texten rechnet er ab mit der bürgerlichen Vernunftkultur, dazwischen schreit und stammelt er, schlägt auf Pauke und Gong. „Pour en finir avec le jugement de Dieu“ heißtAntonin Artauds Beitrag zum Radio-Surrealismus. Eine Hörspielbearbeitung souffliert Artauds Worte dezent ins Deutsche (Deutschlandradio Kultur, 17. Mai, 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Frank Castorf gilt mittlerweile als großer, alter Mann des deutschen Theaters. Für sein Feature „Spieler“ hat Autor Jürgen Balitzki Castorfs Probenarbeit an der Volksbühne belauscht. Castorf inszeniert Dostojewski. Wie ein großer, alter Mann das so macht: seine Darsteller zum Exzess antreiben, ihnen die falschen Theatertöne austreiben, die persönlichen Kulturdiagnosen auf der Bühne vorantreiben. Es geht wie immer bei Castorf um den Ausbruch aus allen Konventionen, der dann wieder eingefangen werden muss, damit das Theater stattfinden kann (Deutschlandradio Kultur, 18. Mai, 18 Uhr 05).

Hans Jürgen Fröhlichs Hörspiel „Harlekin muss sterben“ führt in Richard Wagners Kopf. Wir schreiben den 13. Februar 1883, Wagners Todestag. Der innere Monolog eines sterbenden Musikgenies. Letzte Bilanzen, fiebrige Erinnerungen, noch einmal die volle Ladung Liebe und Hass. Die Leitmotive krachen, Erotik, Weltuntergang, Erlösung in es-Dur. Aber auch die vielen Feinde des Meisters, Franzosen, Juden, Krämer und Kritiker. Langsam, ganz langsam entschwindet Wagner ins Jenseits (Deutschlandfunk, 18. Mai, 20 Uhr 05).

Franz Kafka hat Amerika nie mit eigenen Augen gesehen und trotzdem einen Roman über die Neue Welt geschrieben. Er las Reiseerzählungen, Memoiren berühmter Amerikaner und lauschte den hoffnungsvollen Schwärmereien der Auswanderer. Unter dem ursprünglichen Titel „Der Verschollene“ gibt es Kafkas geniale Amerika-Fantasie nun als Hörspiel. Die magische Reise des jungen Karl Roßmann in eine Welt glänzender Verheißungen und namenloser Schrecken (SWR 2, 19. Mai, 18 Uhr 20; Teil 2 am 20. Mai, 18 Uhr 20, Kabel UKW 107,85 MHz).

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