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Im Radio: Vergeben und Vergessen

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten.

Johann Friedrich Böttger erlernt in Berlin das Apothekerhandwerk. Als Gesellenstück macht er aus Blei, Kupfer und Zinn ein Stück reines Gold. Die Preußen jagen den begabten Alchemisten wegen Zauberei außer Landes, der notorisch klamme Sachsenkönig August steckt ihn ins Verlies. Zwar kann Böttger für August kein neues Gold fabrizieren, aber wenigstens entdeckt er das Geheimnis der Porzellanherstellung. Damit beginnt die nun 300-jährige Geschichte des Meißener Porzellans. Das Feature „Das weiße Gold aus Meißen“ von Matthias Körner erzählt, wie sich seither in Meißen ästhetische Passion und cleveres wirtschaftliches Kalkül zu einer Erfolgsgeschichte ohne Beispiel verbinden (Kulturradio vom RBB, 20. Januar, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Das KaDeWe hat sich von allen durchschnittlichen Konsumgütern losgesagt. Allein der Luxus soll die Zukunft des Unternehmens sichern, während anderswo die klassischen Warenhäuser an breiter Front untergehen. Das Feature „Der Untergang der Warenhäuser“ von Gabi Schlag und Dörte Wustrack erzählt von glanzvollen Institutionen, die einst Erlebniszentren der prosperierenden Industriegesellschaft waren. Die Autorinnen fragen nach Gründen für das Ende einer über hundertjährigen Erfolgsgeschichte. Nach dem Warenhaus kommen Discounter, Malls und das Internet. Was ist passiert mit der Konsumkultur? (Kulturradio vom RBB, 21. Januar, 22 Uhr 04)

Als der Russe Michail Lermontov sein Prosawerk „Ein Held unserer Zeit“ schrieb, war er Anfang zwanzig. Ein gestrandeter Soldat des Zaren, verbannt in den Kaukasus, wo das russische Militär durch Krankheiten und Scharmützel mit den Bergvölkern dahingerafft wurde. Lermontovs Novellen kreisen um einen jungen Offizier namens Pecorin, der ebendieses Schicksal erleidet. Später hat man in Pecorin das literarische Urbild eines „überflüssigen Menschen“ gesehen. Ein Typus, in dem sich die russische Intelligenz der Zarenzeit massenhaft erkannte. Lermontov selbst starb 27-jährig bei einem Duell. In einer schönen Radiofassung kann das Schicksal seines traurigen Helden nun nachgehört werden (SWR 2, 24. Januar, 18 Uhr 20, Kabel UKW 107,85 MHz).

Erinnern und Vergessen sind Fundamentalereignisse unseres geistigen Lebens. Ohne Erinnerung gibt es keine Identität, aber auch das gesunde Vergessenkönnen ist lebensnotwendig. Wer nicht vergisst, hat bald mehr als nur Kopfschmerzen. Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp haben ihr Feature „Die dunkle Schwester der Erinnerung“ dem Vergessen gewidmet. Ein Streifzug durch die einschlägigen Diskurse in Kunst und Wissenschaft. Das Vergessen als neurologischer Forschungsgegenstand und als alltägliche Tugend. Schon bei Ovid finden wir konkrete Tipps, wie sich eine unglückliche Liebe leichter vergessen lässt. Später hat der mythische Fluss Lethe Künstler und Denker aller Disziplinen inspiriert (Deutschlandfunk, 24. Januar, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

In seiner Erzählung „Die Wiederholung“ schickt Peter Handke ein literarisches Alter Ego auf große Wanderschaft. Der Weg führt von Kärnten aus in den slowenischen Karst, die bizarr geformte Hochebene über dem Golf von Triest. Dort hat der Schriftsteller Handke seine Kindheit verbracht, hier lebten die Vorfahren. Der romantische Wanderer taucht ein in die Bilder der Vergangenheit, die Aromen der Heimat. Ein ideales Terrain für Handkes magischen Realismus, für die Beschwörung des Alltäglichen als sinnliches Wunder. Unter dem Titel „Gehen im Herzland“ hat Regisseur Leonhard Koppelmann aus Handkes Prosatext ein faszinierendes Hörspiel gemacht (Deutschlandfunk, 26. Januar, 20 Uhr 10).

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