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Medien: Im Radio: Wunderkinder

Aktualität ist bekanntlich der oberste Wertbegriff im Diskurs der Medien. Das Aktuelle geschieht hier und jetzt, es beeinflusst unsere Gegenwart und idealerweise auch unsere Zukunft.

Aktualität ist bekanntlich der oberste Wertbegriff im Diskurs der Medien. Das Aktuelle geschieht hier und jetzt, es beeinflusst unsere Gegenwart und idealerweise auch unsere Zukunft. Die Toten haben wenig Aktualität, falls sie nicht gerade heute gestorben sind. Sie sind Futter für notorische Historiker und andere Nachtgestalten des intellektuellen Betriebs. Aber das Kulturradio verfremdet diese Routine manchmal auf überraschende Weise.

"Wie aktuell ist Thomas von Aquin?" fragt der Philosoph Josef Pieper in der kommenden Woche. Ein Beitrag im charmanten und eigensinnigen Essayprogramm des Südwestradios. Zugegeben: die Frage nach der Aktualität des heiligen Thomas haben wir uns lange nicht mehr gestellt. Wahrscheinlich hatten wir den Kirchendenker insgeheim schon abgeschrieben. Als Meister vertrackter Gottesbeweise und einer staubigen Logik, die Brecht im "Galilei" verspottet hat. Aber im Grunde genügt ja Piepers Frage, um unser schlechtes Gewissen zu wecken. Thomas von Aquin galt als der klügste Mann seiner Epoche. Sollten hinter den klerikalen Fassaden nicht einige Schätze verborgen sein? Wie viel Aktualität steckt im scholastischen System? Josef Pieper weiß die Antwort (SWR 2, 27. August, 21 Uhr, Kabel UKW 107,85 MHz).

Gewiss war Thomas von Aquin zu seiner Zeit ein ausgesprochenes Wunderkind. Einer, der als Klosterschüler seine Lehrer in Verlegenheit brachte. Was Lehrer meistens nicht mögen und mit Liebesentzug bestrafen. Dass Wunderkinder keine leichte Kindheit haben, gilt heutzutage als gesicherte Tatsache. Allzu schwer ist es für sie, ihr Denken in orthodoxe Bahnen zu lenken und sich an die gemächlichen Rhythmen des Wissenserwerbs anzupassen. In ihrem Feature "Wunderkinder" hat Mechthild Müser das mühevolle Leben junger Hochbegabter erkundet. Quälende Langeweile und soziale Kontaktstörungen sind die typischen Leiden eines Wunderkindes. Und dann sind da noch die Eltern, die das von ihnen erzeugte junge Genie als eine Art Monster empfinden (Radio Kultur, 26. August, 14 Uhr, UKW 92,4 MHz).

Wer niemals Wunderkind war und trotzdem später Gedichte schrieb, findet sich vielleicht in Katharina Döblers amüsantem Literaturfeature "Gereimt und geleimt" wieder. Eine Revue um das "ganz schlechte deutsche Gedicht". Lyrische Versager unter sich. Schiefe Bilder und klappernde Rhythmen. Auch die besten Dichter hatten grausam schwache Stunden. Katharina Döbler hat sie alle dabei erwischt (SWR 2, 28. August, 21 Uhr).

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