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Medien: Im Schattenreich

ARD-Doku spürt Möllemanns Geschäften nach

Am 5. Juni 2003 sprang Jürgen W. Möllemann in den Tod. Ermittlungsbeamte waren etwa zur gleichen Zeit mit einem Durchsuchungsbefehl vor seinem Haus aufgetaucht. Nach dem mutmaßlichen Selbstmord – die Staatsanwaltschaft schloss Fremdverschulden aus – wurden die Ermittlungen gegen ihn unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Betrug eingestellt. Doch „der Fall Möllemann ist noch nicht beendet“, sagt WDR-Autor Jürgen Bevers am Ende seiner „story“-Dokumentation „Mich schickt der Himmel“. Es seien noch Akten aus dem Ausland unterwegs, lässt er etwas ungenau wissen. Aber auch die Neugier der Medien ist noch nicht gestillt.

Ist das pietätlos? Sollte man Tote nicht ruhen lassen? Der detailreiche BeversFilm belegt: Die politische Dimension der Affäre um Möllemanns Finanzgebaren lässt sich nicht zu den Akten legen. Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt und Bundesminister (Bildung, Wirtschaft) half bei Panzergeschäften mit Saudi-Arabien und verdingte sich als Lobbyist für Medien-Unternehmer Kirch. Bevers führt das Publikum tief in das Schattenreich von Möllemanns Geschäften hinein und stellt ihn als machthungrigen Politiker dar, dem Aufmerksamkeit alles bedeutete. Das Fallschirmspringen nutzte er als wirkungsvolle Metapher: „Ich versuche, vom Flugzeug aus in das politische Geschehen reinzuspringen“, ist von Möllemann schon in einer Archivaufnahme zu Beginn der siebziger Jahre zu vernehmen. Zuletzt hüpften seine Sportkameraden im Wahlkampf 2002 in blaugelbem Dress mit der Aufschrift „Uns schickt der Himmel“ aus dem Flugzeug.

Der Autor lässt auch liberale Weggefährten wie Möllemanns Freund Wolfgang Kubicki zu Wort kommen, der sich zu einer Art Möllemann-Spezialist entwickelt hat. Denn viele andere wollten sich lieber nicht vor der Kamera äußern, sagt Bevers. Deutlich wird nur der ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Zurheide, der erklärt, Möllemann habe den NRW-Landesverband jahrelang wie eine Kaderpartei geführt, und der sich entsetzt zeigt, welche Positionen innerhalb der FDP mit dem als antisemitisch kritisierten Flugblatt Möllemanns im Jahr 2002 zutage getreten seien. Die FDP, die nach dem NRW-Wahlerfolg 2000 so euphorisch Möllemanns populistischem Kurs gefolgt war und ihn nach der Spendenaffäre um das umstrittene Flugblatt „zum alleinigen Sündenbock stempelte“ (Bevers), hat neben der Spendenpraxis des NRW-Landesverbands offenbar noch einiges mehr aufzuarbeiten. Auch deshalb ist der „Fall Möllemann“ mit Möllemanns persönlicher Tragödie keineswegs abgeschlossen.

„Mich schickt der Himmel“: ARD,

23 Uhr 02

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