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Medien: In Quotendeutschland

Was passiert, wenn Popmusiker und Politiker mal in Ruhe über alles reden

Es zieht im Saal, und Monika Griefahn ist auch sauer. „Seien Sie doch fair“, bittet sie. „Bei einer öffentlichen Anhörung wird nicht applaudiert.“ In den verstummenden Saal schellt die Titelmelodie von „Mission Impossible“. Und Nike Wagner zieht fröstelnd ihre schwarze Jacke über. So fängt eine Diskussion über die Quotierung von deutscher Popmusik im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus an. Es haben eingeladen: die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und der Ausschuss für Kultur und Medien, dem Frau Griefahn vorsitzt. Ein paar Experten sind auch dabei. Heinz-Rudolf Kunze (gefühlter letzter Hit: „Finden Sie Mabel“, 1986), Hartmut Engler von „Pur“ („Abenteuerland“, 1995), Reinhard Mey („Über den Wolken“, 1974), Achim Reichel („Fliegende Pferde“, 1989) und Inga Humpe von „2Raumwohnung“ („Ich und Elaine“, 2002). Dann noch ein steingesichtiger Mann mit zum Teil abrasiertem Haar. Es wird getuschelt, ob er möglicherweise zu der Band „Rammstein“ gehört und darüber, ob jetzt Udo Lindenberg oben auf der Zuschauertribüne sitzt oder nicht. Es wird natürlich nicht sehr laut getuschelt, weil – abgesehen von Claudia Roth – alle irgendwie Angst vor Monika Griefahn haben.

Wenn sich viele bemühen, dass es nicht peinlich wird, wird es das meistens doch. Oder so: Kann man über eine Deutschquote im Radio diskutieren, wenn der Nachmittag in drei Fragerunden geteilt ist, in der den einzelnen Fraktionen jeweils 15, beziehungsweise fünf Minuten Fragezeit zugeteilt werden? Spannend wird es ganz kurz, als Nike Wagner sich einmischt. „Ginge es nach dem Hörer, würden die Klassiksender immer nur Beethovens Fünfte spielen“, sagt sie in Richtung des Vorsitzenden der ARD-Hörfunkkommission, Gernot Romann. „Könnten Sie nicht auch geschmacksbildend wirken?“ Frau Wagner möchte die Radiohörer gern erziehen, zu größerer Vielfalt, mehr Qualität. Dafür erntet sie kurzen Szenenapplaus, Reinhard Mey klopft ganz vorsichtig auf den Tisch, Griefahn guckt genervt, Gernot Romann („Parteien können nicht bestimmen, was die Hörer hören sollen“) legt die Stirn in Falten. Nike Wagner geht dann relativ schnell, beladen mit einer großen Reisetasche. In Weimar gibt es genug zu tun.

Jacques Toubon, der frühere französische Kulturminister und Erfinder der Francopop-Quote, hält eine flammende Rede. Dabei schwingt er mit den Armen, als würde er seinen Kampfgenossen mit einem unsichtbaren Weinglas zuprosten wollen. Der deutschen Plattenindustrie werde es mit Sicherheit sofort besser gehen, wenn man sich denn endlich zu der Quotenregelung entschließen könnte, sagt Toubon in seiner Muttersprache. „Sie machen in Deutschland große Anstrengungen, ihre klassische Musiktradition zu bewahren und zu schützen. Ich glaube, dass man die deutsche Popmusik nicht schlechter stellen darf.“ Inga Humpe sieht mit ihren Simultanübersetzungskopfhörern noch lässiger aus als sowieso schon. Reinhard Mey braucht keine – ach ja, er hat es selbst in Frankreich zu einiger Berühmtheit gebracht.

Antje Vollmer ist auch für die Quote. Sie hat ein paar Mal „Deutschland sucht den Superschtar“ gesehen und ihr sei aufgefallen, sagt sie, dass die Gewinner alle nicht singen können und dass deshalb die Jugend besser gefördert werden müsse. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags sagt wirklich „Deutschland sucht den Superschtar“. Politik trifft Pop.

50 Prozent eines Radioprogramms sollen für „Newcomer“ reserviert sein, und davon noch einmal die Hälfte für Künstler aus Deutschland, fordern 500 mehr oder weniger bekannte deutsche Musiker. Herbert Grönemeyer, einer der kommerziell erfolgreichsten Künstler dieses Landes, ist nicht dabei. Vielleicht wollte er sich nicht in die Riege seiner Kollegen einreihen, weil er sich um diesen letzten Rest Coolness sorgt, der automatisch verloren geht, sobald ein Popstar sich den Besucherausweis des Deutschen Bundestags ans schwarze Hemd heften lässt.

Heinz-Rudolf Kunze jedenfalls findet alle gemein, die nicht mitmachen bei „Musiker in eigener Sache“. Immer, wenn Kunze ins Mikrofon spricht, schiebt er sich seine „Ray Ban“-Brille aus dem Gesicht. Wie ein Politiker.

Esther Kogelboom

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