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Initiative: Diese Frauen meinen es ernst

"Ich wünsche mir eine Chefredakteurin. Sofort." Aus der Unterschriftenaktion „Pro Quote“ soll ein schlagkräftiger Verein werden.

„Es gibt Ideen“, sagte Ursula von der Leyen. „die werden erst verspottet, dann bekämpft – in dieser Phase befinden wir uns gerade – und schließlich sind sie selbstverständlich.“ Die Bundesarbeitsministerin und CDU-Politikerin stand hinter dem DJ-Pult einer Partylocation im Hamburger Schanzenviertel am Mikrophon und machte den 200 Unterstützerinnen von „Pro Quote“ Mut, die am Wochenende zu einer Art Vollversammlung gekommen waren. Unter ihnen Anne Will (ARD), Lisa Ortgies (WDR), Iris Radisch („Zeit“), Anja Reschke (NDR), Ines Pohl („taz“) und Gabi Bauer (ARD). Die Idee: Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen mit Frauen besetzt werden. 350 Journalistinnen ließen im Februar 200 Chefredakteure, Intendanten und Verleger in einem Offenen Brief wissen: „Wir wollen die Quote, jetzt.“ Ganze 28 der angeschriebenen Männer antworteten, meist von Medien, die diese Quote schon erfüllen wie etwa „Geo“, der WDR oder die „Wirtschaftswoche“. Die Reaktionen sind unter www.pro-quote.de einsehbar. Keine Antwort kam unter anderem von der „FAZ“, der „Süddeutschen Zeitung“, der „Welt“ und „Bild“.

„Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo widmete dem Thema sogar einen Leitartikel. „Die Leitung so wichtiger Ressorts wie Politik, Wirtschaft, Feuilleton oder Wissen ist fest in Männerhand, ganz zu schweigen von der Chefredaktion oder der Herausgeberschaft“, schrieb er. Innerhalb der nächsten Jahre solle sich das ändern. Auch beim „Stern“ gibt man sich einsichtig: „Mehr Frauen an die Spitze ist ein absolutes Muss. Unser erklärtes Ziel ist sogar, die Hälfte aller Führungspositionen an Frauen zu vergeben“, schrieb Chefredakteur Thomas Osterkorn an Pro Quote.

„Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo hatte zwar nicht auf den Brief geantwortet, kam dafür aber am Samstag zur Unterstützerkonferenz, wo er von Ursula von der Leyen freudig begrüßt wurde. Sie hatte 2010 beim „Spiegel“, wo damals gerade zwei der 30 Ressortleiterposten mit Frauen besetzt waren, die montägliche Blattkritik übernommen und dabei für die Frauenquote geworben. Und das offenbar mit solcher Verve, dass kurz danach, im Januar 2011, die Titelgeschichte „Warum Deutschland eine Frauenquote braucht“ erschien. „Dass ich die Quote nicht gut finde, heißt nicht, dass ich das Ziel nicht gut finde“, sagte Mascolo. „Der ,Spiegel’ strebt an, in allen Ressorts – auch in der Chefredaktion – Frauen an führende Positionen zu befördern.“ Derzeit belaufe sich der Anteil weiblicher Führungskräfte in der Redaktion auf 22 Prozent. Wenn man, wie Pro Quote, nur die für den Inhalt zuständigen Journalistinnen zählt, sind es allerdings nur elf Prozent. „Spiegel“-Autor Wolfgang Höbel plädierte in einem Statement entschieden für eine „Revolution von oben“: „Es geht nicht um immer noch eine stellvertretende Stellvertreterin. Ich wünsche mir eine Chefredakteurin. Sofort.“

Dass bereits zu viel Zeit verstrichen ist, darüber waren sich alle einig. Zwölf Jahre ist die freiwillige Vereinbarung mit der Privatwirtschaft nun alt. Seither ist die Frauenquote in den Vorständen und Aufsichtsräten um 0,5 Prozent gestiegen. „Eigentlich unvorstellbar“, sagte Ursula von der Leyen, die von ihrem Mann begleitet wurde, „dass man sich darüber im Jahr 2012 überhaupt noch Gedanken machen muss.“ Und weil sich nichts tut, ist sie für eine gesetzliche Regelung. Von den eigenen Parteifreunden bekommt sie dabei immer wieder Gegenwind. Wie etwa nach der Titelgeschichte im „Spiegel“ mit ihrem Interview damals. So ein Thema! Und das vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg. „Da muss man sich dann gerade und fest hinstellen“, sagt sie. Und das klingt fast so, als könne das Thema doch für den Bundestagswahlkampf 2013 taugen.

Offenbar braucht es immer ein bisschen Zeit, bis der Groschen fällt. So war der meistgehörte Satz an diesem Abend: „Eigentlich war ich immer gegen eine Quote, aber mittlerweile bin ich auch dafür.“ Gerade die Medien, die selbst immer wieder auf gesellschaftliche Missstände hinweisen, müssten sich endlich an der eigenen Nase packen. Vor der Party hatten die anwesenden Unterstützerinnen von Pro Quote einstimmig beschlossen, einen Verein zu gründen, um entsprechende Strukturen zu schaffen. Dazu sagte Moderatorin Anne Will: „Das ist der richtige Schritt, um zu zeigen, wir meinen es ernst.“

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