zum Hauptinhalt

Initiative: Spenden für Wortspenden

Stiftungen finanzieren Journalismus in der EU und in den USA. Ein Modell, wie investigative Recherche in Zeiten der Medienkrise finanziert werden kann?

Sie gingen vagen Hinweisen nach, verfolgten die Spuren von Kriminellen zwischen Lettland und Irland, befragten eingeschüchterte Opfer. Danach konnte ein irisch-lettisches Journalistenteam zeigen, dass Menschenhändler systematisch lettische Frauen nach Irland bringen, damit sie dort mit Nicht-EU-Bürgern Scheinehen schließen – wer sich weigert, wird bedroht. Und dass auf den irischen Standesämtern kaum nachgefragt wird, bevor die Eintrittskarte in die EU unterzeichnet wird. „Jetzt wird in Irland an entsprechenden Gesetzen gearbeitet“, sagt Brigitte Alfter. Eine erfolgreiche Geschichte von Journalismus, aber eine, die finanzielle Hilfe brauchte. Denn: „Solche grenzüberschreitenden Projekte schrecken Verlage oft ab“, sagt die dänische Journalistin, die seit mehr als zehn Jahren ebensolche Recherchen zu finanzieren hilft.

Obwohl sie längst Grenzen überschreiten, werden Verbrechen, Verwaltung, Politik und Wirtschaft oft nur national betrachtet, sagt Alfter. „Weil die Medien in einer Umbruchphase stecken und Recherche teuer ist, werden wichtige Geschichten nicht realisiert.“ Sie besorgt deshalb Geld für Journalismus. Mit Scoop (http://www.i-scoop.org ), einem an eine Nichtregierungsorganisation angebundenen Journalismus-Projekt, das Geld vom dänischen Außenministerium erhält und Recherchen in Ost- und Südosteuropa fördert. Und mit journalismfund.eu (http://www.journalismfund.eu), das EU-weit bei Stiftungen um Geld für Recherche wirbt – und es dann an Projekte vergibt, die bei Recherchen EU-Grenzen passieren.

Ihre Förderung sieht sie als Hilfe in einer Krisenzeit der Verlage. „Das journalistische Handwerk muss weitergegeben werden, auch in Zeiten, in denen der etablierte Journalismus an neuen Geschäftsmodellen bastelt.“ Für welche Recherche Förderung fließt, entscheidet für Journalismusfund.eu eine vierköpfige anonyme Jury. 22 Stipendien im Wert von 90 000 Euro wurden seit 2009 vergeben. Aber: Es kamen Bewerbungen im Wert von insgesamt 781 000 Euro. „Es ist leider nicht leicht, Geldgeber davon zu überzeugen, in Journalismus zu investieren“, sagt Alfter.

In den USA offenbar schon. Pro Publica (http://www.propublica.org) und Spot.us (http://spot.us/) finanzieren durch Spenden in immer größerem Umfang Recherchen – sie haben sich etabliert. Pro Publica hat bereits zum zweiten Mal einen Pulitzer-Preis gewonnen.

Im deutschen Stiftungswesen spielt Journalismus dagegen nur eine minimale Rolle, sagt Leonard Novy vom Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik. Die viel beklagte Medienkrise sei in Deutschland aber auch nicht so ausgeprägt. „In den USA ist der Leidensdruck viel größer. Es gibt ganze Landstriche ohne Zeitungen. Das erhöht natürlich die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun.“

Er findet dennoch, dass eine „Stiftung Journalismus“ dem deutschen Journalismus nutzen kann. In Regionen mit nur einer Zeitung könne sie gezielt alternative Journalisten-Projekte und damit die Meinungsvielfalt fördern. Auch bei der Entwicklung neuer Medienformate mit mehr Einbindung der Leser durch das Social Web gebe es noch viel zu tun. „Das könnte eine Finanzsäule wie eine Stiftung vorantreiben, weil sie Journalisten unabhängig von kurzfristigem Renditedruck arbeiten lässt.“

Wie unabhängig eine Stiftung ist, hängt auch vom Finanzierungsmodell ab. Novy kann sich auch Staatshilfe nach dem Vorbild der Filmförderung vorstellen, bei der wie bei Scoop Geld für einen übergeordneten Zweck zur Verfügung gestellt wird. „Transparenz ist dabei immer zentral, sonst wird man unglaubwürdig.“

Die Plattform Media Funders will dagegen durch Crowdfunding unabhängigen Journalismus finanzieren. Viele Spender unterstützen dabei gemeinsam ausgeschriebene Projekte, die auf der Plattform vorgestellt werden. Die Themen kommen von Journalisten, aber auch aus der Bevölkerung, der Crowd. Kommt das benötigte Budget für ein Projekt zusammen, wird es durch die einreichenden oder gewählten Journalisten ausgeführt. Noch in diesem Jahr will der Schweizer Projektinitiator Stefan Hertach mit den ersten Projekten starten, zurzeit werden noch Spenden und Stiftungsgelder für den Aufbau der Plattform gesammelt.

Veröffentlicht werden die geförderten Geschichten dann meist bei den etablierten Verlagen – bei journalismfund.eu ist die Absichtserklärung einer Redaktion sogar Bewerbungsvoraussetzung. Die Verantwortung der Verlage, selbst für guten Journalismus zu sorgen, bleibt aber, sagt Medienforscher Novy. Stiftungen könnten nur eine Ergänzung sein und nicht einzelne Medien sanieren. „Sie sollen Journalismus insgesamt fördern, anders ist ihr Wert für potenzielle Spender auch nicht vermittelbar.“

Miriam Bunjes

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false