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„Wir sind hier, um zu bleiben.“ Der „Miami Herald“ gehört zur McClatchy-Gruppe, der Nummer zwei auf dem Markt für US-Lokalzeitungen.

© Joe Raedle/AFP

Insolvenz der US-Zeitungsgruppe McClatchy: „Wir sind hier, um zu bleiben.“

Die US-Zeitungsgruppe McClatchy unter anderem mit dem „Miami Herald“ meldet Insolvenz an. Mit Deutschland ist die Situation nicht vergleichbar.

Der „Miami Herald“ warnte seine Leser am Freitag vor dichtem Nebel im Landesinneren von Süd-Florida. „Seid vorsichtig auf den Straßen“ hieß es in den „Latest News“. Auf der Homepage der Lokalzeitung fand sich auch eine Meldung in eigener Sache: „Trotz der jüngsten Nachrichten hat der ,Miami Herald‘ vor zu bleiben“, lautet sie.

Das US-Blatt gehört wie „Miami Herald“, „Kansas City Star“, „Charlotte Observer“ oder „Fort Worth Star-Telegram“ zu den 30 Zeitungen der McClatchy-Gruppe, die jetzt Antrag auf Gläubigerschutz gestellt hat. Die Gruppe, sie ist nach Gannett der zweitgrößte Herausgeber von lokalen und regionalen Zeitungen in den USA, will aus der Insolvenz heraus die angehäuften Schulden und Pensionsverpflichtungen abbauen sowie den digitalen Transformationsprozess beschleunigen, heißt es auf der Webseite der Zeitungsgruppe.

Familie verliert nach 163 die Kontrolle

„Obwohl dies nach 163 Jahren Familienkontrolle ein trauriger Moment ist, bleibt McClatchy ein starkes operatives Unternehmen und setzt sich für unentbehrliche lokale Nachrichten und Informationen ein“, betonte Kevin McClatchy, der Ururenkel des Firmengründers. „Obwohl wir uns bemüht haben, diesen Schritt zu vermeiden, steht außer Frage, dass das Ausmaß unseres 75 Jahre alten Pensionsplans – mit zehn Rentnern für jeden einzelnen aktiven Mitarbeiter – ein Spiegelbild einer anderen wirtschaftlichen Ära ist“, sagte er weiter.

Der Zeitungskrise sind in den USA nach einer Analyse der Brookings Institution in den zurückliegenden 15 Jahren mehr als 2000 Zeitungen zum Opfer gefallen. Nach einem Bericht des US-Arbeitsministeriums gingen seit 1998 mehr als zwei Drittel der Stellen in der Zeitungsbranche verloren. Die Zeitungsauflage hat sich von 56 Millionen Exemplaren in 1998 auf 29 Millionen in 2019 annähernd halbiert.

Die rund 30 Zeitungen von McClatchy sollen während des Insolvenzverfahren nach Chapter Eleven weiter erscheinen. Dafür erhält die Gruppe einen Kredit in Höhe von 50 Millionen US-Dollar. Die Kontrolle über die Gruppe geht jedoch an die Gläubiger über. Der Hedge Fonds Chatham Asset Management, der bereits einen anderen amerikanischen und einen kanadischen Zeitungsverlag besitzt, soll die die Geschäfte leiten. Die rund sieben Millionen Aktien werden eingezogen und verlieren ihren verbliebenen Wert.

Die Situation in Deutschland ist mit der in den USA nicht zu vergleichen, sagt der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper. Allerdings erlebe die Zeitungsbranche in Deutschland derzeit etwas, was es hierzulande so zuvor nicht gab: Während Zeitungen früher quasi als Binnengeschäft nur zwischen Verlagen verkauft wurden, kommen nun Außenstehende wie bei der „Berliner Zeitung“ und der „Hamburger Morgenpost“ zum Zuge.

Industrielle Investoren längst üblich

In den USA – Stichwort Jeff Bezos und „Washington Post“ sowie Carlos Slim und „New York Times“ – aber auch in Ländern wie Frankreich oder Italien (Agnelli-Konzern) sei es schon länger üblich, dass Industrielle Zeitungen erwerben. Wobei man sich dann nicht wundern sollte, wenn die Wirtschaftsberichterstattung sehr unternehmerfreundlich ausfällt. „Das ist die Kehrseite der Medaille“, sagte Röper dem Tagesspiegel.

Der Chef des Dortmunder Medienforschungsinstituts Formatt rechnet nicht damit, dass es in nächster Zeit zu weiteren größeren Verkäufen von Regionalzeitungen wie von Springer zu Funke – „Berliner Morgenpost“, „Hamburger Abendblatt“ – oder den DuMont-Zeitungen kommen werde. Dafür könne es weitere Veränderungen bei Lokalzeitungen geben, wie zuletzt in Hessen, wo der „Hanauer Anzeiger“ Ende 2019 unter das Dach der „Offenbach-Post“ schlüpfte.

Solche Arrondierungen im Verbreitungsgebiet werden zunehmen, erwartet Röper. Auch wenn es in Deutschland bislang kein großes Zeitungssterben gab, werden es nach Einschätzung des Zeitungsforschers nicht alle schaffen. Dafür seien vor allem im Boulevard die Auflagenverluste zu hoch.

Zurück in die USA. Die Zeitungen der McClatchy-Gruppe genießen einen guten Ruf als seriöse Nachrichtenquellen. Der „Miami Herald“ erhielt für seine Berichterstattung über den Skandal um Jeffrey Epstein einen Pulitzer-Preis. Um sich von den Pensionslasten zu befreien, will die Gruppe mit jener US-Agentur zusammenarbeiten, die Rentenzahlungen an ehemalige Mitarbeiter von Unternehmen garantiert, die bankrott gegangen sind. Einen ähnlichen Deal soll es für die angehäuften Schulden geben. Damit es auch künftig heißt: „Wir sind hier, um zu bleiben.“

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