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Besser gemeinsam als getrennt. Die Deutsche Jackie Mueller (Jasmin Gerat) und der Däne Harald Bjørn (Lars Mikkelsen) jagen im „Joint Investigation Team“ kapitale Verbrecher quer durch Europa. Foto: Frederic Batier/ZDF

© FREDERIC BATIER

Internationale Krimiserie: Bloß kein Euro-Breichen

Miteinander Klasse zeigen: Das ZDF und andere Fernsehsender Europas produzieren die internationale Serie „Das Team“.

Geheiligt sei dieser Termin. Sonntag, 22 Uhr. „Kommissarin Lund“, „Inspector Barnaby“, „Der Adler“, „Die Brücke“, da schwingt sich das (Zweite Deutsche) Fernsehen auf, sein Publikum mit avancierter Krimiware zu verwöhnen, zu versöhnen mit dem Kriminaldauerdienst im Wochenprogramm. Nie wurde weniger im Deutsch-TV gemordet, gedealt, betrogen. Offenbar lassen sich deutsche Zuschauerleben besser im Zustand der Dauererregung bewältigen. Da kommt „Das Team“ gerade recht. Noch ein Arbeitstitel, schon in der Endphase der Produktion, voraussichtlich Frühjahr 2015 im zweiten Programm. Das ZDF hatte in Berlin zum Schnupperabend geladen, die fernsehkritischen Journalisten sollten sich eine erste Linie reinziehen, um dann mit diamantenen Augen kundzutun, was da Großes, Großartiges im Werden ist.

Tatsächlich ist „Das Team“ von erheblichem Maßstab. ZDF-Redakteur Wolfgang Feindt, Produzent Peter Nadermann und Andi Wecker (Network Movie Köln) präsentieren die Fakten. Erste Konzeption vor sieben Jahren, sieben europäische Sender im Boot, vier Mal 110 Minuten, erzählt im großen Bogen von der Exposition bis zum Finale. Qualität und Anspruch zu sichern, steckt eine ordentliche Menge Geld drin, je Folge 2,5 Millionen Euro (ein „Tatort“ kostet im Schnitt 1,4 Millionen Euro). Den Senderproportionen beim Investment entspricht die Besetzung. Lars Mikkelsen („Kommissarin Lund“) tritt als Harald Bjørn für Dänemark an, Alicia Verbeek, gespielt von Veerle Baetens („The Broken Circle“), kommt aus Belgien, Jasmin Gerat („Kokowääh“) ist die deutsche Fahnderin Jackie Mueller.

Ihre Ermittler bilden das Kernteam aus europäischen Polizeikräften, das in Kopenhagen, Antwerpen und Berlin eine Mordserie aufklären muss. Dieses „Joint Investigation Team“ (JIT) gibt es realiter, über Europol in Den Haag formiert, eine Polizeigruppe, die so wenig wie die kriminellen Netzwerke Grenzen kennt. Schengen-TV, hier wird’s televisionäre Realität.

Prostituierte werden in Kopenhagen, Antwerpen etc. erst durch einen Schuss ins linke Auge getötet, dann wird ein Finger abgeschnitten. Schön ist das nicht, entsprechend wird erst nach 22 Uhr im ZDF ausgestrahlt. In anderen Ländern schon früher, aber da deutsch sein auch sensibel sein heißt, geht das in Ordnung.

Die Drehbuchautoren Mai Brostøm und Peter Thorsboe, für sehr erfolgreiche Krimiserien („Unit One“, „The Eagle“, „The Protectors“) zu Emmy-Ehren gelangt, legen sofort die Leimrute aus. Immer dort, wo wieder ein Mord passiert, ist Jean Louis Poquelin (Carlos Leal) zugegen. Ein Killer? Tatsächlich ein Journalist, der möglicherweise das recherchiert, was das JIT-Team ermittelt. Die Geschäfte einer kriminellen Organisation, die in Europa führend ist in Sachen Menschenhandel, moderner Sklaverei, illegaler Einwanderung, Prostitution, Bestechung und Korruption. Der Litauer Marius Loukauskis (Nicholas Ofczarek) hält die Fäden in der Hand, die die Gegenseite erst entwirren und dann zum fesselnden Strang zusammenfügen muss.

Vom Geld war schon die Rede, die überzeugende Besetzung ist genannt, monströse Verbrechen, Schauplätze die Menge, erhöhter Kameraeinsatz, trotzdem muss da mehr sein, damit der Wille zum europäischen Gesamtkunstwerk nicht in der Ankündigung steckenbleibt. „Das Team“ soll diese Unterströmungen haben, die das krimigeschulte Publikum packen und mitnehmen. Jede Ermittlerfigur wird ihre Rückseite haben, nicht nur Teamleiter Harald Bjørn (Lars Mikkelsen) outriert seine persönliche Geschichte in der Geschichte. MatroschkaFernsehen mit Wendungen, Windungen, Wirbeln. Wer nicht überrascht, der nicht gewinnt.

„Das Team“, in seiner Struktur der paneuropäischen Koproduktion von ZDF-Mann Feindt als „Modellfernsehen der Zukunft“ gepriesen, wäre nicht das Produkt, das seiner vielen Köche wegen dem Zuschauer als „Eurobrei“ ins Gesicht klatscht. Hier dänisch, dort belgisch, ansonsten teutonisch. Alle Beteiligten wissen darum, keine besser als Regisseurin Kathrine Winfeld. Sie hat außerordentliche Meriten, mehrfach hat sie ihre Kapazität für die große Krimierzählung gezeigt („The Killing“, „The Bridge“). Winfeld lässt keinen Zweifel zu, dass sie das „Team“ auf eine Linie bringen will, „einen Stil finden“, nennt sie das. Die eine inszenatorische Instanz im Miteinander der Koexistenzen. Wenige Ausschnitte waren zu sehen. Es wird nicht gehampelt, keine Handkamera zuckt, keine Schnippselarbeit, Unruhe und Hektik der Handlung entladen sich nicht im Szenegewitter. Jede Sequenz muss ein Argument sein für die große Erzählung. Cooler Look, schon skandinavisches TV-Design mit Film-Noir-Akzent. „Nordic Noir“ heißt diese Mischung. Feinzüngler werden eine starke konzeptionelle Nähe zu „Crossing Lines“ (Sat 1) erkennen.

Fernsehmenschen neigen dazu, nach getaner Arbeit das Werk überschwänglich zu loben. Die fernsehkritischen Journalisten müssen dann Verhältnismäßigkeit herstellen. Das Publikum als Zielpunkt beider Anstrengungen entscheidet. Auch über „Das Team“. Es wird den 22-Uhr-am-SonntagZuschauern so schwer nicht fallen, die Euro-Produktion wertzuschätzen. Sie ist werthaltig, es liegt Anstrengung darin. Und wenn die gesehenen Momente Partes pro Toto sind, gerne eine weitere Staffel.

Keine Rose ohne Dornen? Beim Pressegespräch wird eine Katastrophe bekannt. Regisseurin Windfeld und ZDF-Redakteur Feindt berichten, dass die dritte Staffel der außerordentlichen Krimiproduktion „Die Brücke“ aufs Höchste gefährdet ist. Die Bücher sind fertig, die Produktion könnte starten – aber Kim Bodnia will nicht, er ist ausgestiegen. Offenbar passt ihm das Script nicht. Bodnia spielt den Kopenhagener Polizisten Martin Rohde, Sofia Helin die Kommissarin Saga Norén aus Malmö. Die Verbrechen, die sie über die Brücke zwischen Dänemark und Schweden hinweg aufklären, sind monströs. Das ist die Außenspannung, innen sind die beiden Charaktere, geplagt von persönlichen, familiären Problemen, oft überrascht von Aktionen des anderen. Was so überaus fasziniert: Bodnia und Helin spielen die jeweiligen Figuren im Widerspruch und im Zuspruch zueinander.

Und das soll alles aus sein? Krisentreffen sind anberaumt. Ein Zuschauerleben ohne „Brücke“ ist möglich, aber sinnlos. Und der „Tatort“? B-Ware. Im Vergleich.

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