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Internet-Zensur: Vorsicht, Polizei surft mit!

China und Iran: Wie das Internet zur Waffe gegen Zensur und staatliche Willkür werden kann.

Das Internet ist eine Waffe im Kampf gegen totalitäre Regime. Oppositionelle rund um die Erde vernetzen sich auf Facebook, auf Twitter und Youtube werden die Brutalitäten von Diktaturen in Windeseile verbreitet. Die „grüne“ Bewegung kämpfte im vergangenen Sommer gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad – und die Welt fieberte online mit. Das Netz wird auch genutzt, um Freiheitsbestrebungen zu unterdrücken. Zu dem Thema „Das Internet in China und Iran – Zensur und Freiheitskampf“ diskutierten in Berlin der frühere ARD-Korrespondent Peter Mezger, die iranische Dissidentin Maryam Mirza, Kay Oberbeck von Google Deutschland und Shi Ming, ein chinesischer Journalist im deutschen Exil. In China wird das Internet von rund 30 000 „Internetpolizisten“ gefiltert und zensiert. Dutzende missliebige Blogger hat das Regime bereits inhaftiert. Der Suchmaschinenanbieter Google etwa verlagerte seinen Dienst Anfang des Jahres nach Hongkong. „Es kann nicht sein, dass die Mail-Konten von Dissidenten in China gehackt werden und wir Suchergebnisse zensieren müssen“, sagte Kay Oberbeck. Die Umleitung seines chinesischen Servers sei „keine PR-Maßnahme, sonst hätten wir uns schon viel früher aus China zurückziehen müssen“. Google habe keine andere Wahl mehr gehabt. „Die Zensur durch Peking schafft ein neues Bewusstsein bei den Nutzern der Suchmaschine“, sagte Oberbeck. Die User würden nun deutlicher als bei der vorherigen Selbstzensur sehen, welche Inhalte nicht zugänglich seien.

Dennoch sieht Shi Ming freiheitliche Tendenzen in der chinesischen Gesellschaft. Beim Ausbruch der Hand-MundFuß-Krankheit 2008 etwa hatte sich eine Onlineöffentlichkeit gebildet, die sich über die Bekämpfung der gefährlichen Seuche austauschte – während die Behörden schwiegen.

Auch das Regime in Teheran zensiert alles, was ihm missfällt. „Allein vergangenen Monat wurden 30 Onlinedissidenten verhaftet“, sagte Maryam Mirza, die im Jahr 2007 vor dem islamischen Revolutionsgericht in Teheran stand, weil sie für die Frauenrechte demonstriert hatte. Über die Medien hatte sie die Demonstrationen der „grünen Bewegung“ gegen die Wahlen 2009 begleitet, aus Sicherheitsgründen von Deutschland aus. Vor allem die Studenten hatten über Facebook und Twitter eine immense Unterstützung für ihren Kandidaten Mussawi generiert, berichtete Peter Mezger. Online wähnte man sich in trügerischer Einigkeit. Doch Ahmadinedschad konnte 62 Prozent einfahren – nach seinem mutmaßlichen Wahlsieg ging er gegen die Opposition vor.

Einig war man sich in der Runde, dass es „ordnende“ Instanzen wie Journalisten im Informationsgewirr des Internets geben muss. Genauso wie Blogs und soziale Netzwerke pluralisieren und demokratisieren, können sie totalitären Regimen als Bühne dienen. So streuen etwa die Agitatoren der chinesischen „50-Cent-Partei“, staatlich engagierte Blogger und Internetforisten, genehme Nachrichten für die Regierung. „Alle Parteien nutzen das Netz“, sagte Shi Ming.

Lars Dittmer

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