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Herz und eine Seele: die steinreiche Madame D. (Tilda Swinton), Concierge Gustave H. (Ralph Fiennes, r.), Igor (Paul Schlase, l.) und Lobby-Boy Zero (Tony Revolori) in „Grand Budapest Hotel“.

© ARD Degeto/2014 Twentieth Centur

Interview mit Christine Strobl: „Wir müssen Ausrufezeichen setzen“

Degeto-Chefin Christine Strobl über Sparen im Ersten, Fördergelder und den Start des „Premierenkinos“.

Frau Strobl, ärgern Sie die vielen Sportübertragungen?

Weil ich selbst Sport-affin bin, ärgern sie mich gar nicht. Bei Ausfällen im Fiktionalen finden wir immer gute Lösungen.

In diesem Jahr gab es wegen Fußball-EM und Olympia nur eine auf fünf Filme verkürzte „Sommerkino“-Reihe.
Ja, aber ich bin sehr glücklich über den Erfolg. Wir haben im Durchschnitt über 14 Prozent Marktanteil erzielt. Kino ist im Fernsehen kein Selbstläufer, dass wir Filme wie „Philomena“ um 20 Uhr 15 zeigen können, ermutigt uns.

Die acht Filme nun im „Premierenkino“ laufen ab 22 Uhr 45, die Kinofilme auf dem Festivalplatz sonntags oft erst um Mitternacht. Wären mehr Primetime-Plätze nicht erfreulich?
Sie brauchen für die Primetime-Plätze auch die entsprechenden Filme. Bei einem Vollprogramm wie dem Ersten muss ich in der zuschauerstarken Zeit ein Angebot machen, das auch mehrheitlich angenommen wird. Ich halte die Uhrzeit von 22 Uhr 45 für das Premierenkino geradezu für ideal für Filmliebhaber. Wir beginnen ja mit „Grand Budapest Hotel“. Der ist großartig, sehr speziell, aber wir waren uns einig, dass er sich um 20 Uhr 15 schwertun würde. Wir haben unterschiedliche Kinoplätze, und die Kunst liegt darin, den richtigen Kinofilm für den richtigen Platz zu finden.

Wie sieht die perfekte Mischung für eine solche Reihe aus?
Es ist unser Ziel, die Bandbreite des Kinos im Fernsehen abzubilden: Oscar-Kandidaten, Festival-Eröffnungen, preisgekrönte Filme, aber auch Filme wie „Belle“, der im Kino mit 12 000 Zuschauern weit unter Wert gelaufen war.

Es heißt „Premierenkino“, aber „Exit Marrakech“ und „Global Player“ sind beide schon bei Arte gezeigt worden.
Wenn Arte Koproduzent ist, ist es zwingend Voraussetzung, dass der Sender die Filme vorab zeigt. Mir hätte es leidgetan, wenn wir die Filme, die bei Arte doch nur eine relativ überschaubare Zielgruppe erreichen, auf diesem tollen Sendeplatz im Ersten nicht zeigen.

ARD Degeto-Chefin Christine Strobl
ARD Degeto-Chefin Christine Strobl

© ARD Degeto/Laurence Chaperon

Wie sieht die Zukunft des Kinofilms in der ARD aus? Die Sender sparen, die Beitragsentwicklung ist ungewiss – was können und wollen Sie sich noch leisten?
Ich bin dankbar, dass wir das Engagement in der Größenordnung der vergangenen Jahre aufrechterhalten können. Es ist wichtig, dass wir die Verbindung zwischen Fernsehen und Kino als substanziell begreifen, weil sie Voraussetzung dafür ist, dass deutsche, auch internationale Kinofilme in Deutschland überhaupt entstehen können. Man muss sich über die Ausstrahlung hinaus der Verantwortung bewusst sein, die man als Sender hat.

Also müssen Sie nicht sparen?
Wir sparen weder an der deutschen Kino-Koproduktion noch an den Sendeplätzen. Ich glaube auch, dass wir immer wieder Ausrufezeichen setzen müssen. Das haben wir 2014 mit dem „Medicus“ getan. Gerade haben wir als Koproduktion „Werk ohne Autor“ mit Florian Henckel von Donnersmarck gedreht. Im Moment sind wir gut aufgestellt, das müssen wir immer wieder neu verteidigen.

Wie viel geben Sie im Jahr für Kinoproduktionen aus?
Es ist eine deutlich zweistellige Millionensumme, aufgeteilt in Lizenzkauf und Koproduktionen. Wir haben in den vergangenen Jahren Umschichtungen vorgenommen. Wir sind weiter auf allen Märkten präsent, suchen aber gezielt nach einzelnen Filmen.

Der Ankauf ganzer Filmpakete bei den großen Studios hat sich damit für die ARD erledigt?
Im Moment schließen wir keine Output-Deals mehr ab. Wir sind stark auf den Independentmarkt angewiesen, kommen damit gut zurecht. Und es gibt mehr Freiheit, auch mal Ausrufezeichen wie aktuell mit „Werk ohne Autor“ zu setzen. Wenn Sie einen großen Output-Deal haben, haben Sie die Mittel dafür nicht frei.

Wenn man „Deutsches Kino ist ...“ googelt, ergänzt die Suchmaschine „... schlecht“. Und als Zweites wird angeboten: „... ist in der Krise“. Ist es wirklich so schlimm?
Wir haben insgesamt zu viele und zu wenig herausragende Produktionen. Andererseits teile ich die Analyse nicht ganz. Wir haben mit „Toni Erdmann“ gesehen, was gehen kann. Die Frage ist nicht nur: Haben wir einen guten Kinofilm? Sondern: Wie erfahren die Zuschauer davon? Welche Chance hat das Kino in dieser immer aufgeregteren Welt? Wie kann es sich entwickeln? Das sind Fragen, bei denen sich Produzenten, Sender, Förderer, Filmakademien und Verleiher noch mal an einen Tisch setzen müssen.

„Grand Budapest Hotel“ ist in Babelsberg gedreht worden, da sind viele Fördergelder geflossen. Zugleich sagen viele Leute: Das Fernsehen ist schuld, dass es mit dem deutschen Kino nicht so bombig läuft.
Das Fernsehen ist ja immer schuld (lacht). Nein, das ist eine zu einseitige Betrachtung. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir als öffentlich-rechtliche Sender die Verantwortung für das Kino auch wahrnehmen müssen. Aber es gibt keinen Automatismus, warum Fernsehen überhaupt etwas mit Kino zu tun haben sollte. Der Spielfilm wird anders erzählt, ist dramaturgisch anders aufgezogen. Das Kino muss auch für sich selbst stehen. Ein anderer Vorwurf lautet immer: Es gibt zu wenig Mut. Das finde ich nicht zutreffend. Ich kenne genügend mutige Projekte.

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Die Degeto ist eine Tochtergesellschaft der ARD, die über einen jährlichen Etat von rund 400 Millionen Euro verfügt. 2014 vergab sie ein Auftragsvolumen von 304 Millionen Euro für Fernseh- und Kinoproduktionen. Zu ihren Aufgaben zählt auch die redaktionelle Verantwortung der verschiedenen Kino-Sendeplätze im Ersten.

Mit dem Oscar-prämierten Film „Grand Budapest Hotel“ startet am Dienstag um 22 Uhr 45 das „Premierenkino“ im Ersten.

Christine Strobl, 45, seit 2012 Geschäftsführerin der ARD-Tochter Degeto.

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