zum Hauptinhalt
Schräger Cop. Devid Striesow, 39, geboren in Bergen auf Rügen, ausgebildet an der Ernst-Busch-Schule in Berlin und 2007 ausgezeichnet mit dem Deutschen Filmpreis, ist einer der meistbeschäftigten Schauspieler in Deutschland („Bella Block“, „Yella“). Heute um 20 Uhr 15 ermittelt Striesow wieder im „Tatort“ des Saarländischen Rundfunks. Foto: SR

© SR/Manuela Meyer

Interview mit Devid Striesow: Stellbrink ermittelt wieder

Am Sonntag ermittelt Devid Striesow zum zweiten Mal als "Tatort"-Kommissar. Ein Interview über gewöhnungsbedürftige Krimis, die Angst vor Motorrädern und die 40 als Schallmauer.

Herr Striesow, was für ein Drehbuch liegt da gerade vor Ihnen?

Das ist der Kinofilm, den ich nach dem nächsten „Tatort“ drehen werde. Er wird „Wir sind jung. Wir sind stark“ heißen. In dem Film des jungen deutsch-afghanischen Regisseurs Burhan Qurbani geht es um die ausländerfeindlichen Übergriffe auf Vietnamesen im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen. Ich bin froh, dass ich dabei mitspielen darf, weil ich das damals als Abiturient in Rostock live erlebt habe. Ich war einfach fassungslos. Ich spiele in dem Film einen Politiker aus der Bürgerbewegung, links, aber kein Revoluzzer.

Sie wurden mit dem Alfred-Kerr-Darstellerpreis, dem Filmpreis, dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Sind Sie schon einmal mit einer Rolle gescheitert?

Gescheitert? Woran?

Dass die Figur nicht so wurde, wie Sie sie sich vorgestellt haben?

Nein. Ich wusste immer, was ich gearbeitet und erarbeitet habe. Insofern konnte ich mir ein Bild davon machen, was passieren wird, wenn es rauskommt beziehungsweise gesendet wird.

Reden wir über Jens Stellbrink, den neuen „Tatort“-Kommissar im Saarland, der nun in „Eine Handvoll Paradies“ seinen zweiten Einsatz hat. Ein Teil des Publikums scheint sehr verstört über die Figur. Haben Sie damit gerechnet?

Ich habe ganz fest damit gerechnet, dass das knallhart polarisieren wird. Darum hatte ich ja gesagt, ich versuche dort etwas, was ganz anders ist. Ich habe diese Polarisierung nicht angestrebt. Mir war nur klar, dass es so funktionieren wird.

Aber Sie befürchten nicht, dass Sie durch diese Rolle zu sehr festgelegt werden?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich auf einmal nur noch der Stellbrink bin. Ich habe an die 80 Filme gemacht. Ich bin mir sicher, dass ich auch weiterhin flexibel reagieren kann.

Sie waren sich allerdings nicht sicher, ob die Saarländer den norddeutschen Humor verstehen.

Die Aussagen in den Kritiken sind ja klar. Manche können damit etwas anfangen und finden es ganz toll. Das hat nichts mit norddeutsch oder saarländisch zu tun. Es geht um Inhalte. Es gibt Leute, die haben eine Vorstellung, wie ein „Tatort“ auszusehen hat. Für die ist es etwas gewöhnungsbedürftiger, sich darauf einzulassen. Andere lieben es. Ich werde jedenfalls diesen Humor bei Jens Stellbrink als einen herausragenden Punkt beibehalten.

Wie würden Sie Jens Stellbrink beschreiben, nur als unkonventionell oder schon als leicht irre?

Bei „leicht irre“ kann ich nicht zustimmen, sonst wäre er ja nicht in der Funktion des Kommissars. Ich bleibe darum einfach bei „unkonventionell“.

Warum der "Tatort" nichts mit dem echten Leben zu tun hat.

Im ersten „Tatort“ „Melinda“ hat dieser Stellbrink eine Kollegin mit der Waffe bedroht – im echten Leben wäre das ein Rausschmeißer.

Natürlich, aber der „Tatort“ hat nichts mit dem echten Leben zu tun. Kein Kriminalfilm, der im Fernsehen läuft, hat irgendwas mit dem echten Leben zu tun. Ich war letztens auf einem Kommissariat. Da ist selbst dieser nüchtern eingerichtete Raum, in dem wir uns jetzt befinden, Barock dagegen. Realität ist auch nicht der Anspruch der Drehbuchautoren. Sicherlich muss man sich auf ein Quantum festlegen. Und ich habe mich entschieden, genau so weiterzumachen. Sonst macht es für mich keinen Sinn. Ich mache nur das, was ich auch gern sehen möchte.

„Eine Handvoll Paradies“ spielt im Rockermilieu. Wie gefährlich sind diese Gruppierungen?

Für den „Tatort“ haben wird das Thema natürlich filmisch überhöht. Aber so wie es in Berlin Bandenkriege gab, sind die Jungs ganz gut unterwegs. Das Thema jedenfalls ist ernst, auch wenn wir ganz anders herangehen als im Rostocker „Polizeiruf 110“ mit Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner. Man muss ein wenig von der Idee des Genrefilms ausgehen, dann kann man „Melinda“ als Märchen einstufen und den Rockerfilm als Western.

Der rote Roller wird als Markenzeichen immer wichtiger. Was können Sie motorisierten Zweirädern abgewinnen?

Ich habe einen Heidenbammel vor Motorrädern, würde mir privat höchstens eine Vespa zulegen. Dennoch hatte ich die Idee gehabt, dem Stellbrink diese Vespa als fahrbaren Untersatz zu geben. Das passt zu einer Landschaft wie dem Saarland, wo man jeden Ort in einer halben Stunde erreichen kann. Sonst fahre ich kein Motorrad. Den Führerschein habe ich für den Film „Drei“ gemacht.

Die ersten neuen SR-„Tatorte“ entstanden unter der Regie von Hannu Salonen.

Wir haben uns beim „Kriminalisten“ kennengelernt. Es gab eine hohe Energie zwischen uns. Er ist ein kreativer Pol, und nicht einer, der nur den Punkt im Bild bewegt. Wenn wir drehen, ist jedoch gar nichts locker, das ist nur von hoher Spannung getrieben. Nicht zuletzt, weil wir ein ziemlich straffes Zeitmaß haben. Das heißt nicht, dass am Set nicht entwickelt wird, aber man überlässt nichts dem Zufall.

Sie werden Ende dieses Jahres 40. Was ändert sich?

Wenn sich etwas ändert, dann durch Kinder. Als Mann ist man ohnehin erst Anfang, Mitte 30 in der Lage, Kinder wahrzunehmen, ohne sich selbst zu verlieren. Die 40 ist jetzt keine Schallmauer.

Aber etwas ruhiger ist es auch bei Ihnen geworden, ruhiger jedenfalls, als Sie in einem Jahr zwölf Filme gemacht haben.

Da waren auch Ein-Tages-Projekte dabei. Aber ganz so ruhig ist es nicht, im vergangenen Jahr habe ich acht Filme gemacht. Was sich geändert hat: Ich plane meine Projekte anders. Wenn’s möglich ist, mache ich nichts mehr parallel.

Kommen Sie nun eher zum Fernsehen? Am Sonntagabend?

Ich schaue generell wenig fern. Ich gucke jetzt natürlich interessierter den einen oder anderen „Tatort“. Ich kenne größtenteils die Kollegen, die dort spielen. Ich schaue mir diese Filme an, weil mich das Drehbuch interessiert oder die Umsetzung, aber eher analytisch.

Dann wäre eine Frage über den Zustand des TV-Programms nicht angebracht?

Es wird leider zu wenig Inhalt transportiert im Medium Fernsehen. Die neue Generation der Zuschauer, das ist ja kein Geheimnis, hat parallel dazu ein Laptop und noch einen Computer laufen, um sich nebenbei Inhalte herauszuziehen. Allerdings kann das Fernsehen die Informationsflut, die das Internet bietet, gar nicht als Aufgabe haben.

Das Gespräch führte Kurt Sagatz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false