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Objekt der Begierde. Nicht unbedingt schön, aber die begehrteste Trophäe des deutschen Fernsehens - der Grimme-Preis.

© picture alliance / dpa

Interview mit Grimme-Chefin Frauke Gerlach: „Den Grimme-Preis gibt es nicht für Geld“

Der Preis-Referent ist weg, Finanzierung kommt vom WDR, es gibt neue Kategorien: Gespräch mit Institutschefin Frauke Gerlach.

Frau Gerlach, mit Steffen Grimberg ist dem Grimme-Institut der Grimme-Preis-Referent plötzlich und unerwartet abhandengekommen. Grimberg wird ARD-Sprecher. Wie sehr sind Institut und Preis tangiert?

Der Weggang von Steffen Grimberg ist schade, aber er hat aus seiner Sicht ein Angebot bekommen, das er sprichwörtlich „nicht ablehnen konnte“. Wir sind mitten in den Vorbereitungen für den 52. Grimme-Preis, der wird am 8. April 2016 verliehen wird, das ist vor in erster Linie sehr viel Arbeit. Es geht um eine Veranstaltung mit 1000 Gästen und vor allem auch um die aufwendige Sichtung der eingereichten Produktionen, die Betreuung der Nominierungskommissionen und Jurys. Deshalb freue ich mich wirklich, dass Lucia Eskes so kurzfristig die Leitung des Grimme-Preises übernommen hat und den 52. organisiert. Frau Eskes ist sehr erfahren, sie hat bereits 5 Grimme-Preise inhaltlich und organisatorisch begleitet. Insgesamt sind der Grimme-Preis und das Institut sehr gut aufgestellt, vor allem auch deshalb, weil ich das Haus in Teams organisiert habe. Auch die Vorbereitung und Durchführung des Grimme-Preises ist eine Teamleistung.

Braucht es noch eine Grimme-Preis-Referentin?

Wie wir eine Leitung des Grimme Online Awards haben, so brauchen wir auch eine Leitung des Grimme-Preises, denn wie bereits gesagt: die Arbeit muss erledigt werden.

Mit wie viel Optimismus geht das Grimme-Institut ins Jahr 2016?

In jedem Fall mit einem Grundoptimismus. Wir haben die Reform des Grimme-Preises auf den Weg gebracht und die Neuorganisation des Instituts abgeschlossen. Das waren zwei wesentliche Vorhaben, die ich mir für die ersten anderthalb Jahren meiner Amtszeit vorgenommen hatte. Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Stärkung der Finanzkraft des Instituts.

Frauke Gerlach ist seit 2014 Direktorin und Geschäftsführerin des Grimme-Instituts in Marl. Grimme vergibt unter anderem den Grimme-Fernsehpreis und den Grimme Online Award.
Frauke Gerlach ist seit 2014 Direktorin und Geschäftsführerin des Grimme-Instituts in Marl. Grimme vergibt unter anderem den Grimme-Fernsehpreis und den Grimme Online Award.

© Annette Etges

Finanziell ist das Institut künftig auf Rosen gebettet?

Leider nicht, den Vorhaben des Grimme-Instituts sind auch weiterhin deutliche finanzielle Grenzen gesetzt. Selbst wenn es wahrscheinlich ist, dass Grimme eine Absicherung des Budgets erhält. Das Grimme-Institut lebt seit vielen Jahren mit einem erheblichen strukturellen Defizit. Es bedarf also auch weiterhin großer Anstrengungen, also keine Rosen.

Mit der anstehenden Gesetzesnovellierung wird Grimme zukünftig mittelbar vom WDR finanziert. Mit wie vielen Grimme-Preisen muss das vergolten werden?

Mit keinem einzigen! Den Grimme-Preis gibt es für Qualitätsproduktionen und innovatives Fernsehen, nicht für Geld. Wenn die Regelung in Kraft treten sollte, wird das Grimme-Institut zumindest teilweise aus dem Rundfunkbeitrag finanziert. Das ist eigentlich die richtige Formulierung. Aus meiner Sicht wird hier ein richtiger Schritt gegangen, um die finanzielle Stabilität und Unabhängigkeit des Instituts weiter zu sichern. In der Konsequenz wird der WDR gesetzlich dazu verpflichtet, das Grimme-Institut, nicht die Preise, mit 6 % der Mittel, die er aus dem Vorwegabzug von der Landesanstalt für Medien NRW erhält, zweckgebunden zu fördern.

Die Förderung bezieht sich auf die Medienentwicklung, Medienqualität und Medienbildung. Diese Trias gehört zu den  wesentlichen Aufgaben des Grimme-Instituts. Der Grimme-Preis und der Grimme Online Award werden übrigens im Wesentlichen vom Land Nordrhein-Westfalen finanziert, auch die neue Kategorie „Kinder & Jugend“ des Grimme-Preises wird aus Steuermitteln bezahlt. Damit besteht auch in finanzieller Hinsicht eine deutliche Distanz zu den Sendern, egal ob sie Gesellschafter bei Grimme sind oder nicht.

Der CDU-Abgeordnete Thomas Sternberg nannte das im Düsseldorfer Landtag „inzüchtig“.

Was meint er wohl damit? Der WDR und das ZDF sind Minderheitsgesellschafter Gesellschafter des Grimme-Instituts mit je zehn Prozent der Anteile.

Und nur mal zur Erinnerung: Der Grimme-Preis und das Grimme Institut wurden vom Deutschen Volkshochschulverband gegründet, er ist mit 40 Prozent der Mehrheitsgesellschafter und bildet sozusagen den „Gen-Pool“ von Grimme, die „Gründungs-DNA“. Er ist strukturell der Garant für die Unabhängigkeit der Preise und des Instituts.

Und dann möchte ich nochmal auf die aufwendige Preisträgerfindung durch Nominierungskommissionen und Jurys hinweisen, die schlussendlich für unabhängige Entscheidungen sorgen – bei beiden Grimme-Preisen. Nominierungskommissionen und Jurys setzen sich aus anerkannten Journalisten, Medienkritikern, Vertretern des Deutschen Volkshochschulverbandes und Wissenschaftlern zusammen. Und die denken nicht im Traum daran einen Sender zu begünstigen, egal, aus welchen Mitteln das Grimme-Institut finanziert wird. Vielmehr gibt es eine kritische und professionelle Distanz. Und sie lassen sich übrigens auch nicht vom Grimme-Institut vereinnahmen. Gerade das hat den Preis über 51 Jahre lang so stabil und erfolgreich gemacht.

Vermehrt gesucht: das Qualitätsfernsehen der Zukunft

Was ändert sich an der Vergabe der Grimme-Preise?

In seinem 52. Jahr übergibt der Preis ein Stück weit den Jüngeren das Kommando - und schafft eine eigene Kategorie „Kinder & Jugend“. Zwar gab es schon in den Vorjahren zahlreiche Einreichungen für diese Zielgruppe, aber diese fanden wenig Raum in den etablierten Kategorien des Grimme-Preises. Die Vergleichbarkeit mit den Produktionen für „Erwachsene“ ist einfach schwierig - vor allem bei Programmen, die sich eindeutig an Kinder richten.

Neben der neuen Kategorie können die Jurys künftig einen Innovationspreis vergeben, ohne es zu müssen. Wir wollen den Grundgedanken hervorheben, dass der Grimme-Preis zukunftsweisendes Fernsehen auszeichnet.

Grimme preist das lineare Fernsehen, wie wird das Fernsehen der Zukunft, das non-lineare wie beispielsweise beim Video-on-Demand, gewürdigt?

Damit sprechen Sie den dritten zentralen Reformschritt an: eine eingereichte Produktion muss künftig nicht im Fernsehen ausgestrahlt worden sein. Es reicht, dass sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, das bedeutet, egal, ob auf dem Smartphone, Tablet oder Fernsehen, linear oder nicht-linear. Entscheidet ist, dass ein Angebot „fernsehgemäß“ ist. So öffnet sich künftig der Grimme-Preis für andere Distributionswege wie Mediatheken, Streamingdienste oder Video on Demand, wenngleich der Bezugspunkt die klassische Fernsehproduktion bleibt. Damit trägt der Wettbewerb auch der Praxis Rechnung, dass immer häufiger Beiträge zuerst über Mediatheken online zu veröffentlicht werden, ohne das es eine Überschneidung zum Grimme Online Award gibt. Wir begeben uns auf die Suche nach dem Qualitätsfernsehen der Zukunft.

Wird der Deutsche Fernsehpreis mit seiner neuen Konfiguration zu einem neuen Gegenspieler zu Grimme?

Den Deutschen gibt es seit 1999, der Grimme-Preis wird 2016 zum 52. Mal verliehen. Wir haben ein ausdifferenziertes und sehr aufwendiges Verfahren, um Qualitätsproduktionen aus der Vielfalt der Angebote herauszufinden. Durch unsere Preisreform setzen wir deutliche Akzente Richtung Zukunft. Aus meiner Sicht sind wir keine „Gegenspieler“ sondern unterscheiden uns grundsätzlich in der Gründungsidee und der Preisfindung. Alles andere nehmen wir „sportlich“. Die „Show“ beim Deutschen Fernsehpreis fällt künftig kleiner aus, man will stärker in die Branche wirken. Wir wünschen viel Erfolg dabei!

Was leistet Grimme sonst noch für die Qualität des deutschen Fernsehens?

Der Mediendiskurs ist in diesem Jahr bereits erfolgreich gestartet, ihn will ich fortsetzen. Stärken will ich auch das Veranstaltungsformat: „Grimme trifft die Branche“. Hier durften wir bereits eine tolle Veranstaltung in diesem Jahr erleben: In Berlin ging es um die RTL-Serie „Deutschland 83 oder die Renaissance der Serie“, die aktuell ins Programm kommt. Wir beteiligen uns am Diskurs zum Thema „Inklusion im Fernsehen“, dazu wollen wir an unsere erfolgreiche Veranstaltung anknüpfen, die wir in diesem Jahr gemeinsam der Bundesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen durchgeführt haben. Mit der Preisreform wollen wir den Fokus auf Kinder- und Jugendproduktionen richten: Was zeichnet dort Qualität aus, wie wird der Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter umgesetzt, wie entwickelt sich das Jugendangebot, was passiert bei den privaten Anbietern und im Netz?

Darüber hinaus arbeitet die Grimme-Akademie sehr erfolgreich an der Qualifizierung des Mediennachwuchses, kümmert sich um Fragen der Inklusion, Migranten im Medienbereich oder auch Comedy im TV und im Internet. Beim alljährlich stattfinden Social Community Day wurde das „Instant Publishing“ verhandelt, die Öffnung des Grimme-Preises für neue Distributionswege korrespondiert mit vielfältigen Aktivitäten im Bereich der Medienbildung. Seien Sie gespannt!

Das Interview führte Joachim Huber.

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