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Harald Stenger, 61, (li. neben Bundestrainer Löw), begann seine Karriere bei der „Frankfurter Rundschau“. Im Juli 2001 wurde er Mediendirektor des DFB. Sein zum 31. August 2012 auslaufender Vertrag als Pressesprecher wurde vom DFB nicht verlängert. Foto: dpa

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Interview mit Harald Stenger: „Ich hatte nie Lieblingsspieler“

Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht der scheidende DFB-Pressesprecher Harald Stenger über Saunagänge mit Lukas Podolski, seinen Abschied von der Nationalmannschaft und wie es nun für ihn weiter geht.

Herr Stenger, mit welchen Gefühlen gehen Sie am Mittwoch in Ihren letzten Auftritt beim Länderspiel gegen Argentinien? Wehmut, Trauer, Wut?

Es wird auf jeden Fall ein emotionaler Moment, völlig klar. Ich würde mich nicht wundern, wenn ich mit den Tränen kämpfen müsste. Und wenn es so kommt, schäme ich mich dafür nicht. Dazu hängen einfach zu viele Erinnerungen dran, es war eine tolle Zeit mit der Nationalmannschaft.

Sie verlassen eine Familie, die Nationalmannschaft.
Ja, da ist was dran. Ich durfte elf herausragende Jahre genießen in unserem Team. Selbst wenn man das nicht glaubt: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es einmal eine niveaulose Auseinandersetzung gab. Die Arbeit hat mir unter diesen Voraussetzungen einen Riesenspaß gemacht. Der Job des Pressesprechers war für mich daher eine echte Herzensangelegenheit, eine Berufung.

Klingt nach heiler Welt.
Bei allem Familiären muss man natürlich schon auch sagen, dass es im Profigeschäft unterschiedliche Interessen gibt. Gemeinsam ist es den Trainern, dem Manager und allen Betreuern jedoch gelungen, immer wieder den Teamgedanken in den Mittelpunkt unseres Miteinanders zu rücken.

Was unternimmt man da Gemeinsames?
Neulich im Trainingslager in Frankreich vor der EM zum Beispiel: Es ist üblich, dass sich das „Team hinter dem Team“ abends nach dem Ende der Arbeit der medizinischen Abteilung im Restaurant oder an der Bar bei einem Glas Wein oder Bier und einer kleinen Käseplatte trifft. Eines Abends kam ich später aus meinem Büro. Kein Mensch war da, und ich schaute verdutzt in die Gegend. Da sagte der Kellner: Ihre Familie sitzt draußen auf der Terrasse. Das sagt alles...

Video: Der DFB trennt sich von Harald Stenger

Was werden Sie vermissen?
Auch die Saunaabende mit den Spielern. Da gibt es immer interessante, ehrliche und hintergründige Unterhaltungen über allerlei Themen, nicht nur über Fußball.

Erwuchsen da Freundschaften mit den Nationalspielern?

Freunde sind für mich Menschen, mit denen ich schon viel länger und öfter zusammen bin. Freundschaftliche Kontakte sind auf alle Fälle entstanden, zumal mit vielen Spielern auch zwischen den Länderspielen guter Kontakt bestand und wir uns regelmäßig ausgetauscht haben, weil sie meine Meinung zu einem Thema hören wollten oder ich ihnen eine wichtige Information habe zukommen lassen.

Mit wem war es denn am spannendsten in der Sauna, mit Joachim Löw?
Eher Lukas Podolski, Per Mertesacker und Tim Wiese, die sind genauso verrückte Saunagänger wie ich. Doch ob in der Sauna oder in sportlichen Angelegenheiten: Ich hatte nie Lieblingsspieler. Ich war für jeden da, wenn er etwas Fachliches oder Menschliches von mir wollte.

Video: Viele "Youngster" sind gegen Messi und Co.

Beispiele bitte.
Da werden Sie jetzt nichts von mir hören. Am wichtigsten ist: Das Miteinander mit den Spielern war immer von großer Offenheit und absolutem Vertrauen geprägt. Und viele Spieler, die lange nicht mehr dabei sind, pflegen noch immer intensive Kontakte mit mir, per SMS, E-Mail oder Telefon, beispielsweise Arne Friedrich.

Über sein Verhältnis zum DFB will Stenger nicht sprechen

Harald Stenger, 61, (li. neben Bundestrainer Löw), begann seine Karriere bei der „Frankfurter Rundschau“. Im Juli 2001 wurde er Mediendirektor des DFB. Sein zum 31. August 2012 auslaufender Vertrag als Pressesprecher wurde vom DFB nicht verlängert. Foto: dpa
Harald Stenger, 61, (li. neben Bundestrainer Löw), begann seine Karriere bei der „Frankfurter Rundschau“. Im Juli 2001 wurde er Mediendirektor des DFB. Sein zum 31. August 2012 auslaufender Vertrag als Pressesprecher wurde vom DFB nicht verlängert. Foto: dpa

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Weniger heiter waren die letzten Tage für Sie. Ihr auslaufender Vertrag beim DFB wird nicht verlängert. Offenbar gegen ihren Willen.
Ja, ich hätte gerne weitergemacht. Aber ich bleibe bei meiner Linie, dass ich mich zu den Hintergründen der Entscheidung nicht äußern möchte.

Sind Sie sauer auf den DFB?
Nochmals: Es gibt von mir keine Kommentierungen zu Details, so interessant das sicher wäre.

Stichwort Hintergründe, zur Medienarbeit als solcher. Der DFB ist ein Riesenverband. Nicht nur der Regierungssprecher Steffen Seibert twittert. Sind Sie aus der Zeit gefallen?
Da plagen mich jetzt keine Selbstzweifel. Jeder will mittlerweile online am schnellsten auf dem Markt sein. Da lauern aber auch Gefahren, weil dadurch die Berichterstattung oft zu oberflächlich ist. Der DFB ist ja in diesen Twitter-Bereich mit der Nationalmannschaft eingestiegen, und wir haben durchaus positive Erfahrungen gemacht. Für mich ist das, bei allem Respekt, jedoch eher Infotainment. Das muss heute sein, die Zeit ist nicht zurückzudrehen. Kritische Kommentare und analytische Reportagen, ob online oder in Zeitungen und Magazinen, im Radio oder Fernsehen, sind aber weiterhin die Markenzeichen des Journalismus.

Insgesamt waren Sie elf Jahre Pressesprecher der Nationalmannschaft, davon zwei Jahre gleichzeitig DFB-Mediendirektor. Noch mal gefragt: Was bleibt?
Ein gutes Gefühl, mittendrin statt nur dabei gewesen zu sein. Viele Einblicke hätte ich als Journalist, der immer der Meinung war, nah dran zu sein, so nie machen können...

Wird es einen Ausstand geben, nach diesem Spiel gegen Argentinien in Frankfurt?
Von der sportlichen Leitung, den Spielern und dem Team hinter dem Team soll ich demnächst in lockerem Rahmen verabschiedet werden. Eine offizielle Verabschiedung durch den DFB vor dem Spiel am Mittwoch habe ich abgelehnt.

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Es ist auffällig, wie viele Journalistenkollegen ein Loblied auf Sie singen. Ihr Ehrgeiz bestand ja offenbar auch darin, bei den Pressekonferenzen alle Reporter beim Namen zu nennen, selbst die aus China oder von kleineren Zeitungen.
Ich war 32 Jahre Sportjournalist, mit Leib und Seele. Mein oberstes Prinzip war es jetzt als Pressesprecher, den Kollegen, deren Arbeitsbedingungen immer schwieriger werden, den nötigen Respekt zu zollen. Gerade auch denen aus dem Ausland. Das ist doch nur die korrekte und konkrete Umsetzung des deutschen WM-Slogans 2006 „Die Welt zu Gast bei Freunden“, eigentlich gar nichts Besonderes. Und auch die Kollegen von Regionalzeitungen waren für mich genauso wichtig wie die Vertreter des Fernsehens oder überregionaler Blätter.

Sie sind 61. Was machen Sie nun, zurück zum Journalismus?

Ich werde jetzt erst noch mal in den Urlaub fahren, um über vieles nachzudenken. Fest steht, dass ich bei der WM 2014 in Brasilien dabei sein möchte. Ob als Journalist oder in einer anderen Funktion, das wird sich zeigen. Es gab schon bald nach der Bekanntgabe der Trennung vom DFB einige lukrative Angebote. Ich fühle mich topfit.

Ex-Nationaltorwart Harald Schumacher hat in den 1980ern mal ein Buch auf den Markt gebracht: „Anpfiff“. Darin kritisierte er, allerdings ohne Namen zu nennen, dass Nationalspieler bei der WM 1982 die Nächte mit Alkoholkonsum und Poker verbracht hatten. Sie könnten ja jetzt über den plötzlichen Machtwechsel von DFB-Chef Theo Zwanziger auf Wolfgang Niersbach im März 2012 schreiben oder über manche Nationalmannschaftsreise. „Inside DFB“, von Harald Stenger, das würde sich gut anhören.
Ein Buch zu schreiben? Das wurde mir schon vor zwei Jahren nahegelegt, als mir die Kompetenz als DFB-Mediendirektor entzogen wurde. Nein, da fahre ich lieber nach Südfrankreich und setze mich abends in meine Stammkneipe.

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