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Wenn Kluftinger erst einmal die Spur aufgenommen hat, ist er nicht mehr zu bremsen. Herbert Knaup ist inzwischen fünf Mal in die Rolle des verschrobenen Allgäuer Kommissars geschlüpft.

© dpa

Interview mit Herbert Knaup: „Ich suche immer nach den Gegensätzen“

Herbert Knaup über den Allgäu-Kommissar Kluftinger, die großen Chancen von Berlin und Horst Seehofers Verhältnis zur Wahrheit.

Herr Knaup, in dieser Woche wurde der Kluftinger-Film „Herzblut“ gezeigt, in der nächsten folgt „Schutzpatron“. Ist dieser Doppelpack eine gute Idee?

Die Programmplaner glauben vermutlich, dass es nicht nur Wiederholungstäter, sondern auch Wiederholungszuschauer gibt. Mir soll das recht sein. Allerdings ist meine Frau Christiane bei „The Voice of Germany“ Unterhaltungschefin, und jetzt laufen die beiden Formate direkt gegeneinander. Und die haben ja richtig gute Zuschauerzahlen, vor allem beim jungen Publikum.

Das ist doch nicht das gleiche Publikum?
Nein, aber man möchte mit dem merkwürdig skurrilen Kommissar auch das junge Publikum erreichen. Kluftinger ist auch eine Art Familienunterhaltung, ebenso wie „The Voice“.

Wie jugendtauglich ist Kluftinger?
Kluftinger gilt mit seiner eigenwilligen Art durchaus als kultig, trotz grenzwertigem Dialekt. Wie er zur Lösung seiner Fälle kommt, das kann auch junge Zuschauer interessieren. Vom Look und der Machart sind Kluftinger-Krimis ohnehin sehr jung und frech. Auch die beiden neuen sind schnell und alles andere als gemütlich.

So wie die beiden Autoren Volker Klüpfel und Michael Kobr, die in den 1970ern geboren sind.
Richtig. In den Kluftinger-Krimis geht es ohnehin nicht nur um Kriminalistisches. Die beiden verarbeiten in den inzwischen neun Bücher auch das Verhältnis zu Vätern. Den Vater von Volker Klüpfel, der auch Polizist war, habe ich kennengelernt. Da spielt schon viel mit rein, auch wenn die Figur in die Gegenwart geholt wurde. So einen Menschen zu finden, der wirklich gar keine Ahnung vom Internet hat, das ist schon ein ganz schöner Kampf. Aber auch der Kluftinger muss sich an solche Realitäten gewöhnen.

Stehen Sie eigentlich im ständigen Kontakt mit den Autoren?
Nein, Klüpfel und Kobr haben früher an den Filmen mitgearbeitet, kümmern sich nun aber verstärkt um die lesende Fangemeinde. Im Roman kann und soll sich jeder seinen eigenen Kluftinger vorstellen. Und ob der nun genau mit dem Bild von Herbert Knaup zusammengeht, das stelle ich mal infrage. Beim ersten Lesen habe ich mir auch jemand anderen vorgestellt.

Noch grantiger?
Nein, aber anders. Allein schon von der Körperlichkeit. Kleiner, runder. Aber ich habe dann doch zugesagt, und insgesamt ist es mir wohl gelungen, mich einzuleben und einzufühlen. Aber es gibt Facetten, wo ich an meine Grenzen stoße. Er ist immerhin 15 bis 20 Kilo schwerer.

Dafür gibt es doch künstliche Bäuche.
Das ist vor allem eine schauspielerische Aufgabe. Ich komme ja aus der Tradition des Theaters. Es geht mehr um das Reinempfinden, wie man zum Beispiel die Angst spielt, die Kluftinger wegen seiner Herzbeschwerden hat. Das fängt mit der Atemnot an und der Beschwerlichkeit, sich zu bewegen.

Klingt nicht nach einer dankbaren Rolle.
Ich suche immer nach den Gegensätzen, damit Kluftinger nicht zu eindimensional ist in seiner Einfachheit. Er ist so etwas wie ein Alpen-Columbo, wie bei Peter Falk, dessen Figur man auch immer unterschätzt hat. Mit seinen ständigen Nachfragen ist er einem permanent auf die Nerven gegangen, aber plötzlich hat er seine Fälle doch gelöst. Auch eine Spur Miss Marple ist in der Kluftinger-Figur. Mir hat an ihm immer seine Handgreiflichkeit gefallen, dass er so etwas Klares und Unorthodoxes hat.

Mit den beiden neuen Kluftinger-Filmen sind es fünf Episoden, in denen Sie diese Rolle gespielt haben. Müssen Sie nicht befürchten, zu stark mit dieser Figur identifiziert zu werden, wo Sie doch privat nicht einmal Janker tragen?
Es stimmt schon, ich werde darauf angesprochen. Aber ganz positiv. Normalerweise spreche ich nicht so, meinen Heimatdialekt kann ich einfach an- und ausschalten. Da ist die Distanz schon gegeben.

Am Dienstag beginnt zudem die neue Staffel von „Die Kanzlei“. Wie wichtig ist Anwalt Markus Gellert zur Abgrenzung von Kluftinger?
Gellert ist eine völlig andere Figur, beinahe das Gegenteil von Kluftinger – was für mich als Schauspieler eine tolle Herausforderung ist. M. G., so die Abkürzung, ist die reine Eloquenz. Er denkt und redet tatsächlich so schnell wie ein Maschinengewehr, ist mit allen Wassern gewaschen und lotet juristisch alles aus, um den Prozess zu gewinnen. Das Oberlandesgericht in Hamburg steht uns für die Dreharbeiten nur samstags und sonntags zur Verfügung. Die Prozesse haben es deshalb schon in sich. Die Suche nach Wahrheit und die Hartnäckigkeit sind zudem beiden gegeben: Kluftinger und Gellert.

Zurück zum Kluftinger: Der bayerische Dialekt scheint gut anzukommen.
Das ist allgäuerisch! Das Allgäu liegt zwischen Bayern und Schwaben und ist eher alemannisch. Der Bayer hat im Fernsehen eine ewige Tradition, neu ist der Allgäuer. Berlin gab es da nicht so viel, weil es lange Zeit eine Insel war.

Das hat sich inzwischen geändert.
In Berlin wird zurzeit sehr viel gemacht: Ich denke an „Ku’damm 56“ oder die Serie „Babylon Berlin“, die Tom Tykwer gerade fertigstellt. Das Tolle an Berlin ist diese Multi-Kulti-Kraft. In New York sagte mir ein Taxifahrer einmal „I call it a jungle“. Berlin ist ein ähnlicher Dschungel, der rund um die Uhr geöffnet ist und in dem du dich verlieren kannst. In so gut wie jedem Genre kann man dazu eine tolle Serie machen. Das ist wie ein gefundenes Fressen. Auch der Berliner „Tatort“ hat wieder deutlich zugelegt.

Sie haben auch schon in diversen „Tatorten“ mitgespielt, aber Kommissar sind Sie noch nicht geworden.
Die Anfrage gab es schon, aber es hat sich nicht ergeben. Da war ich zu jung und musste mich noch anders ausprobieren.

Der knorrige Kluftinger, sollte sich Horst Seehofer da eine Scheibe abschneiden?
Ich weiß gar nicht, ob er sich das anschaut. Auch ihm könnte es sicher nicht schaden, es sich selber gegenüber ein bisschen mehr mit der Wahrheit zu halten. Man fragt sich schon manchmal, wo tut er das alles hin?

Und wie verstehen Sie sich mit der Politik?
Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und stehe dazu, dass ich nach wie vor SPD-Wähler bin. Ich verstehe mich immer noch als Arbeiter. Doch wo das alles hintendiert, weiß ich nicht so genau. Das ist ja so erschreckend, dass sich die Parteien mittlerweile fast gleichgewichtig bei 20 Prozent gegenüberstehen. Und es hat mich wirklich enttäuscht, dass die Panikmache vor dem Fremden so überhand genommen hat.

Würden Sie einen Rassisten spielen?
Ich habe den Eichmann gespielt und auch Albert Speer verkörpert. Um international zu reüssieren, musste man lange Zeit den Nazi geben. Um etwas aufzuzeigen, würde ich eine Rolle schon annehmen. Aber nicht, wenn es für eine Art Propaganda missbraucht wird.

So engstirnig Kluftinger sein mag, gegenüber Fremden ist er offen.
Das lässt er zu, wie bei seiner japanischen Schwiegertochter in spe. In einem Film durfte sie sogar seinen Hausschuh streicheln, von dem sie dachte, diese Kuhfell-Clogs seien so etwas wie ein Meerschweinchen. Der Kluftinger grenzt sich zwar ab, aber im Grunde ist er tolerant.

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Herbert Knaup, 60, stammt wie sein Kommissar Kluftinger aus dem Allgäu. Sein Vater war Musiker, seine Schwester spielte zeitweise in der Rockband „Amon Düül“ und sein Bruder ist Schauspieler.

In München hat Knaup an der Otto-Falckenberg-Schule den Schauspielerberuf gelernt. Er arbeitete ein Jahr an den Münchener Kammerspielen, hatte Engagements in Bremen, Wien, Basel und Köln. Ende der 70er kamen Kino und TV dazu (u. a. „Wallers letzter Gang“).

Seit der Jahrtausendwende ist Knaup verstärkt im Fernsehen aktiv. 2005 erhielt er die „Goldene Kamera“ als bester deutscher Schauspieler. Knaup war acht Jahr mit der Schauspielerin Natalia Wörner liiert, 2006 heiratete er Christiane Lehrmann, sie leben in Berlin.

Der nächste "Kluftinger" läuft am Donnerstag in der ARD, 20 Uhr 15.

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