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Musikstreaming boomt. Mehr als 20 Anbieter gibt es in Deutschland.

© AFP

Interview mit Spotify-Chef: „Wir senken die Piraterie-Quote“

Musik-Streaming boomt. Doch einige Künstler fühlen sich von den Diensten ausgebeutet. Ein Gespräch mit Spotify-Chef Stefan Zilch über faire Vergütung, die Zukunft der CD und Bushido.

Herr Zilch, welcher Titel ist gerade die Nummer eins auf Ihrer Playlist?

Das neue Jay-Z-Album, allerdings nur aus Interesse, weil es gerade die Charts erobert. Ansonsten eher elektronische Musik, beispielsweise die Playlist vom Melt-Festival. Auch Atoms for Peace habe ich gerne gehört.

Das geht über Spotify nicht mehr. Radiohead-Frontmann Thom Yorke und Nigel Godrich haben Songs dieser Band von der Plattform mit der Begründung entfernt, dass die Einnahmen zu gering seien. Können Sie den Schritt nachvollziehen?

Nein, kann ich nicht. Genau die gleiche Diskussion hatten wir auch schon mit anderen prominenten Musikern wie Coldplay, Adele, Red Hot Chili Peppers. Die haben alle ihre Musik bei Spotify runtergenommen. Und sind jetzt wieder da. Es geht dabei nicht nur ums Geld. Es ist auch eine Diskussion über Piraterie und Werbewirkung.

Bleiben wir erst mal beim Geld. Was verdienen Künstler bei Spotify?

Etwa 70 Prozent unserer Gesamteinnahmen, also die Einnahmen aus Werbung und zahlenden Nutzern, spielen wir zurück an die Musikindustrie. Also an die Labels als Rechteinhaber der einzelnen Titel und an die Gema als Rechteverwerter. Was unsere Vertragspartner dann mit dem jeweiligen Umsatzanteil machen, liegt nicht mehr in unseren Händen. Wir sagen den Rechteinhabern nicht, wie viel sie an den einzelnen Künstler zahlen sollen.

Stefan Zilch, 37, ist Geschäftsführer von Spotify Deutschland, Österreich, Schweiz.
Stefan Zilch, 37, ist Geschäftsführer von Spotify Deutschland, Österreich, Schweiz.

© Promo

Wer der Berechnung der Zeitung „Guardian“ folgt, kann den Schritt von Atoms for Peace vielleicht verstehen. Demnach zahlt Spotify den Musikern etwa 0,46 Cent pro Stream. Das sind gerade einmal 4400 Euro bei einer Million abgerufener Songs. Bescheiden, oder?

Die Rechnung kann ich nicht nachvollziehen, denn was die Künstler verdienen, hängt eben jeweils davon ab, welche Verträge sie mit den Labels geschlossen haben. Wir arbeiten weltweit mit über 300 000 Labels zusammen. Mit jedem Künstler einzeln zu verhandeln, wäre unmöglich.

Zumindest Durchschnittszahlen zur Vergütung werden Sie haben.

Auch das nicht. Je nachdem, wie erfolgreich ein Künstler in einem Monat bei Spotify ist, wird er anteilsmäßig honoriert. Jeder Stream wird nach circa 30 Sekunden abgerechnet. Steht ein Künstler für ein Prozent des Streamingvolumens, erhält er ein Prozent aus den gesamten Einnahmen. Diese variieren, da unsere zahlenden Kunden wachsen und die Werbeeinnahmen variieren.

Deutsche Musiker wie Xavier Naidoo, die Ärzte und die Toten Hosen sperren sich gegen das Streaming, weil sie fürchten, ihre CD- oder Downloadverkäufe könnten darunter leiden.

Es gibt keinen Nachweis, dass Musikstreaming die CD-Verkäufe oder die kostenpflichtigen Downloads kannibalisiert. Einen klaren Zusammenhang gibt es aber zur Piraterie.

Und zwar welchen?

Erfolgreiche Alben, die nicht bei Spotify sind, haben eine hohe Pirateriequote. Die Leute weichen auf illegale Plattformen aus, wo sie sich die Musik runterladen – und der Künstler geht leer aus. Ist die Musik dagegen bei Spotify verfügbar, ist die Piraterie-Quote niedrig – und der Künstler bekommt seinen Anteil pro Stream ausgezahlt. Hinzu kommt die Werbewirkung. Über Facebook teilen die Nutzer ihre Playlists und machen so andere auf neue und alte Songs aufmerksam. Auch Musiker wie Pink Floyd, die Eagles und Paul Kalkbrenner haben wir damit inzwischen überzeugt, ihre Alben bei uns zu streamen.

Was früher die Jukebox leistete, das bekommt der Musikfan heute per Stream.
Was früher die Jukebox leistete, das bekommt der Musikfan heute per Stream.

© Chris Brignell/Fotolia

Weil Sie einen entsprechend hohen Geldbetrag auf den Tisch gepackt haben?

Nein, wir haben sicher keinen Geldkoffer zu Paul Kalkbrenner gebracht. Wir können nur mit dem punkten, was wir können: Musik für alle Nutzer legal zur Verfügung zu stellen. Wo Musikstreaming erfolgreich ist, wachsen die Märkte. In Schweden, wo Spotify 2008 gestartet ist, kommen über 70 Prozent der Einnahmen des gesamten Musikmarktes übers Streaming rein. Dort veröffentlichen die Künstler teilweise gar keine CDs mehr, weil sie sagen, das kostet nur Geld.

Gibt es Musiker, die Spotify nicht will? Bushido beispielsweise?

Wir arbeiten mit dem Bundesministerium für Kinder und Jugend zusammen, das uns wöchentlich eine Liste mit den Titeln schickt, die auf dem Index stehen. Daran halten wir uns. Als Bushido jetzt mit „Stress ohne Grund“ auf der Liste gelandet ist, haben wir den Titel entfernt. Aber andere Titel zensieren wir nicht. Wir sind ja nicht die Geschmackspolizei.

Musik ist illegal kostenlos im Netz verfügbar. Wie überzeugen Sie die Nutzer für Musik zu zahlen?

Spotify ist kostenlos nutzbar. Das ist wichtig, um die Nutzer an das Produkt heranzuführen und um mit der Musikpiraterie konkurrieren zu können. 25 Prozent der Nutzer zahlen inzwischen für Spotify, da sie unseren Service mobil nutzen wollen. Vor einem Jahr waren wir noch ein Nischenprodukt, jetzt sind wir auf der Schwelle zum Mainstream.

Wie viele Nutzer gibt es in Deutschland?

Wir nennen da keine Zahlen auf Länder bezogen. Nur weltweit. Und das sind 24 Millionen Menschen, die mindestens einmal pro Monat Musik streamen. Sechs Millionen davon sind zahlende Abonnenten. Nach iTunes mit über 500 Millionen zahlenden Nutzern sind wir bereits heute die zweitwichtigste Einnahmequelle für Musiker.

Unterscheiden sich die Nutzer in Deutschland von denen in anderen Ländern?

Die Nutzer hier sind noch jünger als in den Ländern, wo Spotify schon länger am Markt ist. In Schweden, wo die Hälfte der Bevölkerung Spotify nutzt, hört eben die Oma ihre Volksmusik über Streaming. Bei den deutschen Nutzern sind Dance, deutscher Hip-Hop ganz vorne. Cro war im vergangenen Jahr die Nummer eins.

Wie steht es um die Verweildauer?

Der deutsche Spotify-Nutzer hört täglich rund zwei Stunden. Das sind im Schnitt zwei Alben, die pro Tag gehört werden. Früher hat derselbe Nutzer ungefähr sechs Alben im Jahr gekauft. Außerdem bietet Spotify über den Katalog eben die Chance, Musik und Musiker zu hören, bei denen man nicht unbedingt Tonträger kaufen will.

Spotify protokolliert jeden Titel, den sich die Nutzer anhören. Sie wissen über ihre Kunden sehr genau Bescheid.

Das ist alles anonymisiert, wir erfüllen sehr hohe Datenschutzkriterien. Natürlich können wir den Künstlern und Labels sehr genaue Daten über ihre Fans geben. Wer wird wo gehört, im Norden mehr als im Süden, welches Alter, welches Geschlecht? Darauf werden Tourdaten abgestellt oder Merchandising angepasst, keine Frage.

Werden diese Daten kommerzialisiert?

Nein.

Auch nicht bei den Nutzern, die Spotify gegen Werbung nutzen? Spotify-Investor Coca Cola wüsste vermutlich gar zu gern, wer welche Musik streamt, wenn er die Brause trinkt.

Auf einzelne Künstler kann keine Werbung gebucht werden. Was es gibt: Werbung für bestimmte Zielgruppen. Aber wenn Kindermusik läuft, wird sicher keine Bierwerbung geschaltet.

Spotify stellt sich als Achse der Guten dar. Trotzdem wird es Probleme, Ärger, Frust geben.

Wir sind eine Technik-Plattform. Wir hängen von Infrastrukturen, von guten Netzen ab. Wenn der Stream nicht funktioniert, dann gibt es Shitstorms ohne Ende.

Das Gespräch führten Sonja Álvarez und Joachim Huber.

Stefan Zilch, 37,

ist Geschäftsführer von Spotify für Deutschland,

Österreich und Schweiz.

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