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Bekennender Single ist der neue „Tatort“-Kommissar Thorsten Falke, den Wotan Wilke Möhring spielt. Sein erster Fall spielt in Hamburg und soll im kommenden Jahr im Ersten ausgestrahlt werden.

© picture alliance / dpa

Interview mit Wotan Wilke Möhring: „Testosteron alleine reicht nicht“

Schauspieler Wotan Wilke Möhring spricht im Tagesspiegel-Interview über seine Rolle als neuer „Tatort“-Kommissar, geknackte Autos, Westfalen in Hamburg und Til Schweiger.

Herr Möhring, sind Sie denn in dieser Woche mit Glückwünschen zu Ihrer neuen Rolle als „Tatort“-Kommissar überhäuft worden?

Ja, aber das war ein seltsames Gefühl, denn noch nie ist vorher jemand auf die Idee gekommen, mir für einen Film zu gratulieren, den ich noch nicht gedreht hatte. Dadurch ist mir noch bewusster geworden, welcher Kult, welche heilige Kirche der „Tatort“ ist – vor allem auch, welche Erwartungen damit verbunden sind.

Künftig gibt es gleich zwei neue Kommissare in Hamburg: Sie als Thorsten Falke, Til Schweiger als Nick Tschauder. Beides testosterongeladene Männer, wie es beim NDR heißt. Kann das gut gehen?
Mein Kommissar Falke ist nicht testosterongesteuert. Natürlich haut er gleich in der ersten Folge ein paar Sprüche raus, wenn da eine neue Kollegin kommt, die seinen bisherigen Kollegen und Freund ersetzt. Aber jemanden nur mit Gorillagebrüll niederzumachen, entspricht nicht seinem Gerechtigkeitssinn. Falke hat eher eine Zupackermentalität. Das Zuhören und die Akribie lernt er dann von seiner neuen Kollegin – und das ist auch gut so. Denn nur mit Testosteron wird man nicht Hauptkommissar.

Wie wollen Sie sich abgesehen vom Testosterongehalt von Til Schweigers Nick Tschauder unterscheiden?
Ich bin für den gesamten norddeutschen Raum zuständig. Der erste Fall spielt jetzt in Hamburg, der zweite wird auf einer Insel gedreht. Der Hamburger Kommissar wird ganz klar Til sein. Aber weil er nur einen Fall pro Jahr macht, hatte der NDR Kapazitäten für einen weiteren Kommissar. Und der bin nun ich.

Hat Sie der „Tatort“ auch deshalb gereizt, weil Sie als Kommissar quasi gleich mit heiliggesprochen werden?
Der „Tatort“ ist ein Format, das stärker ist als alle seine Darsteller selbst. Denn erst mal schauen die Leute „Tatort“ – und erst dann den Kommissar. Das ist die Herausforderung bei diesem Format und die finde ich besonders reizvoll.

Können Sie verstehen, dass der „Tatort“ in Deutschland ein solches Heiligtum ist?
Der „Tatort“ ist ein Ritual geworden. Die Leute setzen sich Sonntagabend hin, schauen Nachrichten und bleiben dann einfach gleich dran. Sie schließen mit dem „Tatort“ das Wochenende ab und starten mit ihm in die neue Woche. Das ist eine Art Komfort-Zone, in die man sich begeben kann. Ich glaube, dass es für die Menschen wichtig ist, dass es so etwas gibt.

Begeben Sie sich selbst gerne in diese Komfort-Zone?
Im Moment schaffe ich es kaum, rechtzeitig zu Hause zu sein, um meine Kinder ins Bett zu bringen. Aber generell schaue ich gerne den „Tatort“, die Konstellationen mit den neuen Kollegen finde ich sehr spannend.

"Ich war früher Punk"

Gibt es einen TV-Kommissar, dem Sie besonders gerne zusehen?
Nein, das nicht. Insgesamt sticht der „Tatort“ raus aus der Fernsehlandschaft, denn er wird von den besten Regisseuren und Kameramännern gemacht. So wie jetzt bei meinem ersten Fall. Özgür Yildirim, der „Chico“ und „Blutzbrüdaz“ gemacht hat, führt Regie, und zusammen mit dem Kameramann Matthias Bollinger wird er sicher eine ganz eigene Bildsprache umsetzen.

Beherrschen Sie als geborener Westfale einen norddeutschen Akzent?
’türlich, ’türlich. Ich bin zwar im Ruhrpott aufgewachsen, aber meine Eltern kommen aus Bremen. Und ich habe bestimmt vier, fünf Jahre meines Lebens in Hamburg gedreht. Die Stadt hat einfach alles: den Schmuddel des Kiezes, den Hafen, das Tor zur Welt. Wenn man den Kopf freibekommen will, dann guckt man sich einfach die Schiffe an.

Bei vielen „Tatort“-Kommissaren nimmt das Privatleben eine große Rolle ein. Wird das auch bei Thorsten Falke der Fall sein?
Eher weniger, denn ich finde, dass das Privatleben keine zu große Rolle spielen sollte. Ob ein Kommissar nun lieber Rot- oder Weißwein trinkt und solche Sachen, das interessiert doch überhaupt nicht. Da gibt es genug Grausamkeiten und Verbrechen, die viel spannender sind. Aber natürlich müssen bestimmte Eigenschaften gezeigt werden, die den Grundcharakter ausmachen.

Und was für ein Typ ist Thorsten Falke?
Er ist Single und eher ein Bauchmensch. Dazu gibt es noch das eine oder andere Geheimnis, das im Laufe der Folgen gezeigt wird.

Und was hat Ihr Bauch gesagt, als das Angebot für den „Tatort“ kam?
Das ist natürlich eine große Freude gewesen. Aber da kann man natürlich nicht allein auf den Bauch hören, sondern muss durch alle Details gehen und sicherstellen, dass alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen und die gleichen Vorstellungen von dem Projekt haben. In diesem Fall hat alles gepasst.

Dabei haben Sie früher weniger für die Rolle des Kommissars geübt und mehr für die Rolle des Verbrechers: Sie haben Autos geknackt, gebettelt, Hausfriedensbruch begangen und sich geprügelt. So stand es kürzlich zumindest in einem Interview.

Ich war früher als Punk auch in den USA unterwegs, und als ich da kein Geld mehr hatte, um mir was zu essen zu kaufen, musste ich auch mal betteln. Das stimmt. Aber wenn ich mich gekloppt habe, dann meist mit Größeren. Wichtig aber ist vor allem die Erkenntnis, die ich aus dieser Zeit gezogen habe: Wo die Grenze zur Verletzung von Eigentum eines anderen Menschen ist.
Verhaftet worden sind Sie also nie?
Nein, da haben mich meine Eltern immer rechtzeitig aufgefangen. Ich hab den Schuss vor den eigenen Bug rechtzeitig bekommen.

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

In Herne ist Wotan Wilke Möhring, Jahrgang 1967, aufgewachsen. Er lernte Elektriker, war Clubbesitzer und Türsteher und arbeitete als Model für Vivienne Westwood, die ihm riet, Schauspieler zu werden. Sein Debüt gab er 1997 in „Die Bubi Scholz Story“. Er spielte seither in mehr als 80 TV- und Kinoproduktionen mit wie in „Männerherzen“, „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ und „Homevideo“. Möhring lebt mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Kindern in Köln.

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