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„Cool, oder?“ Iris Berbens Leinwandkarriere begann 1970 als Revoluzzerin in einem Italo-Western von Sergio Corbucchi.

© Imago

Iris Berben im Interview: „Zufrieden sein ist Stillstand“

Zu ihrem 70. Geburtstag spricht die Schauspielerin Iris Berben über ihre neuen Fernsehfilme, verpasste Chancen, Schönheit und Selbstironie.

Iris Berben, am 12. August 1950 in Detmold geboren, ist eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen. Sie wuchs in Hamburg als Tochter eines Gastronomenpaars auf und nahm unter anderem Tanz- und Sprechunterricht. Zu ihren ersten Filmen zählte 1971 „Supergirl“ von Rudolf Thome.

Im Fernsehen wie im Kino ist sie seitdem in zahlreichen Spielfilmen und Serien zu sehen. Besonders beliebt beim TV-Publikum war ihre Krimi-Reihe Rosa Roth. Von 2010 bis 2019 war Iris Berben Präsidentin der Deutschen Filmakademie. Sie engagiert sich zudem seit vielen Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus.

Frau Berben, Sie bereiten gerade Dreharbeiten vor. Müssen Sie für den Film auch in Quarantäne gehen?

Ja, momentan ist vieles anders. Ich kann jetzt nur telefonisch mit Ihnen reden und muss einige Tage nach Köln zur Quarantäne ins Hotel. Danach beginnt dort der Dreh für „Unter Freunden stirbt man nicht“, der bei TV Now und später bei Vox zu sehen sein soll. Die Vorarbeit ist sehr aufwendig, es wird ein Vierteiler.

Trotz Einhaltung der Schutzmaßnahmen haben wir Druck und auch Angst, dass irgendetwas passieren könnte. Ich weiß, was da auf dem Spiel steht, wenn einer von uns ausfällt. Jeden zweiten Tag werden wir getestet. Ich bin gespannt, ob das alles auch einen Einfluss auf die Arbeit haben wird ...

Die Filme, die zu Ihrem 70. Geburtstag ausgestrahlt werden, entstanden unbeschwerter. „Mein Altweibersommer“ ist die intim erzählte Geschichte einer Selbstfindung. In dem mit Ausschnitten aus Ihrer eigenen Karriere gespickten Krimi „Nicht tot zu kriegen“ steckt viel Mut zur Selbstironie. Hat Regisseurin Nina Grosse Ihnen die Rolle auf den Leib geschrieben?

Nina Grosse und ich wollten nach der Mini-Serie „Die Protokollantin“ unbedingt wieder zusammenarbeiten. Sie ist über viele Jahre mit Franz Dobler befreundet, der sich als „Fan“ von mir outete und ihr seinen Roman „Ein Schlag ins Gesicht“ gab. Da sagte sie: „Das ist es!“

Aber man musste etwas umschreiben, weil die Protagonistin Simone Thomas eine Prostituierte ist. Aus ihr wurde dann Simone Mankus, ein alternder Star, der in den 70er Jahren in München aufschlägt. Allerdings kann auch sie ihre Liebhaber von früher kaum noch zählen. Die Grenzen zwischen Dichtung und meinem eigenen Leben werden natürlich manchmal bewusst übersprungen.

Iris Berben als alternde Sängrein Simone Mankus im ZDF-Film "Nicht tot zu kriegen".
Iris Berben als alternde Sängrein Simone Mankus im ZDF-Film "Nicht tot zu kriegen".

© ZD/Alexander Fischerkoesen

Im Film sind mit „Call Me“ und „Heart of Glass“ zwei Blondie-Songs zu hören, zu denen Sie tanzen. Stimmt es, dass Debbie Harry Sie immer motiviert hat?

Das hat Nina in den Film geschrieben, nachdem sie Interviews von mir durchgegangen ist. Natürlich ist Debbie Harry, die mit 75 immer noch sexy ist, eine Popikone, ein Vorbild für viele Frauen. Zu ihr und vielleicht auch zu mir passt der Filmsatz: „Es ist leicht, wahrgenommen zu werden, wenn man attraktiv ist, aber bleiben ist das Wichtige.“ Nina hat sich ab und zu bei Dingen bedient, wo ich sage, da können wir den Rock ’n’ Roll nochmal richtig hochkommen lassen!

„Mein Altweibersommer“ ist eher ein stilles Roadmovie. Auch hier ist es Ihnen in der Rolle der Geschäftsfrau, die sich für einige Tage einem Kleinzirkus anschließt, nicht wichtig, schön zu sein, „sondern jemand, der war, der ist und der sein wird“.

Ich denke, das tut man doch unweigerlich, wenn man bewusst am Leben teilnimmt. Drehbuchautorin Beate Langmaack hat diesen Satz so geschrieben, als hätte ich ihn selbst gesagt. Ich finde es schön, dass man mir diese beiden so unterschiedlichen Filme schenkt an diesen zwei Tagen. „Mein Altweibersommer“ hat auch mit dem Alter zu tun.

Es sind aber andere Fragen bei dieser Geschäftsfrau, etwa der Status quo: Was kommt noch? Sehe ich mich noch anders? Oder kann mich noch jemand anders sehen? Sätze, die man von sich kennt, wenn man wie ich durch den Beruf schon sehr analytisch ist. Jede Rolle, die du annimmst, bringt dich ja zwangsläufig zu einem eigenen Hinterfragen. Das ist das Privileg beim Filmemachen: dass man so viel für sich selbst herausziehen kann.

Sie sind in Detmold geboren, sehen aber leicht fernöstlich aus. Gibt es da Vorfahren, von denen wir nichts wissen?

Nicht dass ich wüsste, aber das sind die Augen meines Vaters. Er hatte ganz schräg gestellte dunkle Augen. Ebenso mein Sohn. Mich hat man als Kind immer „Chinesenmädchen“ gerufen. Das ließ später nach. „Fernöstlich“ höre ich sehr gern, ich werte die Bezeichnung als Kompliment.

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Ihre Leinwandkarriere begann 1970 mit dem Italo-Western „Lasst uns töten, Companeros“, der kürzlich verstorbene Ennio Morricone schrieb die Musik dazu. Wie kamen Sie zur Rolle der Revolutionärin Lola?

Cool, oder? Es gab ein Casting in Madrid. Mehrere junge Frauen aus den verschiedensten Ländern standen zur Auswahl. Ich weiß bis heute nicht, warum Sergio Corbucchi mich ausgewählt hat, aber ich habe noch das Geschenk von ihm und seiner Frau zu meinem 20. Geburtstag: einen wunderbaren, alten Bilderrahmen, er begleitet mich immer noch.

Ihre TV-Präsenz begann so richtig 1978 mit der Comedy-Serie „Zwei himmlische Töchter“. Wie hat sich die Medienlandschaft seitdem verändert?

Gewaltig. Durch Corona haben sich jetzt natürlich auch die neuen Vermarktungsformen durch Streamingmöglichkeiten noch mal verstärkt verändert. Es können Geschichten auf eine sehr viel genauere Weise erzählt werden. Ich hatte das Glück, dass ich häufig bei Veränderungen von Formaten dabei war. Nach „Zwei himmlische Töchter“ und „Sketchup“ im Comedy-Bereich folgte als Vorläufer, was das epische Erzählen anbelangt, „Die Guldenburgs“. Der Mehrteiler wurde in 50 Länder verkauft. Später haben wir versucht, mit „Rosa Roth“ die Befindlichkeiten eines Landes mithilfe eines Krimiplots zu erzählen. Was hat beispielsweise der Fall der Mauer bewirkt? Ich kenne die Müdigkeit des deutschen Fernsehspiels, aber auch die Häufigkeit der Eventfilme.

Iris Berben bei einem Fotoshooting in einer Feldlandschaft, Ende der 1970er Jahre.
Iris Berben bei einem Fotoshooting in einer Feldlandschaft, Ende der 1970er Jahre.

© imago images/United Archives

In letzter Zeit sind ganz neue Formen entstanden, wo sich Fernsehen und Streamingdienste den Kuchen teilen müssen. Wenn Leute jetzt sagen: „Das ist doch viel bequemer jetzt!“, wird vergessen, was uns an sozialem Miteinander verbindet, wenn wir ins Kino gehen mit wildfremden Leuten, im Gefühl sich fallen zu lassen, bei einer gemeinsamen Reise.

Gibt es auch eine verpasste Chance, der Sie hinterhertrauern?

Ich hätte gern mit dem unvergessenen Wiener Kino- und Theater-Star Oskar Werner gedreht – und dieser Wunschtraum war Anfang der 70er Jahre zum Greifen nah! Herbert Vesely, der leider ebenfalls verstorbene Regisseur von „Das Brot der frühen Jahre“, wollte Oskar für einen Film über den vermeintlichen Hellseher „Hanussen“ gewinnen, der als Jude mit den Nazis sympathisierte und dann von ihnen ermordet wurde. Ich sollte ebenfalls mitspielen.

Das Projekt kam nicht zustande, was ich bis heute bedaure, denn bei der französischen Originalfassung von „Jules und Jim“, in der er sich ja selbst spricht, habe ich mich in seine Stimme verliebt. Und in dieses Gesicht! Ich habe noch nie so viel Sehnsucht und Wehmut in einem Gesicht und auf der anderen Seite auch so eine Kraft gesehen! Wenn man sagt, jemand kann einen verzaubern, auf Oskar Werner trifft es zu.

Und sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?

Zufrieden sein ist Stillstand, auch wenn man vielleicht meint, man hat es geschafft. Aber ich habe es noch lange nicht geschafft! Das ist ja die Peitsche, die ich hinter mir selber schlage. Ich suche noch, wie in „Mein Altweibersommer“. Vielleicht ist da noch irgendetwas, das ich entdecken kann.
Anlässlich von Iris Berbens 70. Geburtstag zeigt das ZDF am Montag, den 10.8., "Nicht tot zu kriegen" und das Erste am 12.8. "Mein Altweibersommer" (jeweils 20.15 Uhr).

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