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Für den Römer Rocco Schiavone (Marco Giallini) ist das Aosta-Tal eindeutig zu kalt

© ARD Degeto

Italo-Krimi im Ersten: Schiavone hat kein Gespür für Schnee

Die italienische Krimi-Reihe besticht durch Stimmungspräzision und Kommissar Rocco Schiavone

Angenommen, ein Kommissar Marke Knorke-Berliner wird in ein Tal in den bayerischen Alpen versetzt. Hat sich in der Hauptstadt einiges zu Schulden kommen lassen, also wird er strafversetzt. Das wird den Bullen aus Berlin nicht in beste Laune versetzen, wo er sowieso schon launisch, zynisch ist, seine Stimmungen direktemang auslebt, im Büro kifft und auch im privaten Umgang nicht von der leichtgängigen Art ist.
Interessantes Krimi-Experiment, und es war die italienische Rai im Verbund mit Beta-Film und ARD-Degeto, die sich diesen Kommissar bei Bestseller-Schriftsteller Antonio Manzini „ausgeliehen“ haben: Rocco Schiavone, gespielt von Marco Giallini. Schiavone ist eingefleischter Römer, der jetzt in den filzgrauen Himmel über dem Aosta-Tal schauen muss und in dünnen Wildlederschuhen durch den Schnee stapft. Eine harte Strafe für den Lebemann, der seine Vergangenheit weiter mit sich herumschleppt, also in dubiose Geschäfte in Rom verwickelt bleibt.
Die neue Tristesse wird für Rocco Schiavone gleich mit der zehnten und damit höchsten Stufe auf seiner persönlichen Negativliste strapaziert: sein erster Mordfall ist „schweinemäßig nervig“, weil undurchsichtig. Ein Mann wird von einer Pistenraupe überfahren, offenbar war er schon in deren Weg gelegt worden. Seine Frau Luisa reagiert schockiert, ihr Mann Leone und sie waren gerade dabei, ihr Haus in einen Berggasthof umzubauen. Schwanger war sie zudem.

Stimmungspräzision

Okay, die Fahndung nach dem Mörder ist unsagbar aufregend und spannend. Die sechsteilige Reihe „Der Kommissar und die Alpen" wird von der Zentralfigur Rocco Schiavone, dem übrigen Personal und der Aura des Ortes geprägt. Hier gelingt – unter der Regie von Michele Soavi – eine Stimmungspräzision, die die sechsteilige Reihe eigen und besonders macht. Neben dem Kraftpaket Schiavone, den Marco Giallini in Höhe, Breite und Tiefe ausspielt, kommen die Polizisten Italo Pieron (Ernesto D'Argenio) und Caterina Rispoli (Claudia Vismara) auf die Habenseite.
Mit Pieron kann sich Schiavone über die wahren Dinge des Lebens austauschen, Caterina ist attraktiv, sehr gescheit und selbstbewusst, auch sie wird vom Vice-Questore respektiert. Nichs davon bei „Dick & Doof“, bei D'Intino (Christian Ginepro) und Casella (Gino Nardella), Provinzler und Narren, an denen sich auch die unmittelbare, rauhe Tonlage der Krimireihe zeigt. Schiavone schmeißt mit Akten nach ihnen. Und dass der Questore Andrea Costa (Massimo Olcese) ein eitler Geck ist, erinnert sehr an den Questore in den Venedig-Krimis von Donna Leon.
„Der Kommissar und die Alpen“ ist keine feinsinnige, sophistische Krimikunst, sondern handfeste Krimiware, überraschend offen und direkt, immer wieder von Fragen und Missverständnissen der Liebe aus den Fahndungsangeln gerissen und hinterfangen von den Spezifika des Kommissars, dessen Vergangenheit, zu der auch seine verstorbene und arg vermisste Frau gehört, mit der er in tiefsten Momenten der Einsamkeit spricht, sich immer in neuen Schichten herausschält. Rocco Schiavone zeigt Züge eines Misanthropen, der keiner sein will.

„Der Kommissar und die Alpen“, ARD, Samstag, 21 Uhr 45

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