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Zukunft im Blick.  Hiba Obaid ist Integrationsvolontärin bei Alex TV.

© Thilo Rückeis

#jetztschreibenwir: Die Stimme erheben

Alex TV bietet Integrationsvolontariate: Wie Geflüchtete einen Weg in die Medien finden.

Ahmad Wali Temory: Drei Monate war der Afghane unterwegs, bis er in Deutschland ankam – über Pakistan, Iran, die Türkei, Bulgarien, wieder zurück in die Türkei, Griechenland und die Balkanroute. In seiner Heimat wurde er von den Taliban bedroht, weil er als Übersetzer für die Amerikaner gearbeitet hatte. Hiba Obaid: Die Syrerin floh aus ihrer Heimatstadt Aleppo über den Libanon und die Türkei, seit Herbst 2015 ist sie in Berlin. Jamal Ali: In Aserbaidschan saß er im Gefängnis wegen regimekritischer Musik. „Entlassen wurde ich nur, weil gerade Eurovision war und ein inhaftierter Musiker schlecht ins Bild passte, das das Regime abgeben wollte.“ Unter einer Bedingung allerdings: nie mehr zurückzukommen.

Alle drei waren in ihrer Heimat auch journalistisch tätig, und alle drei sind es heute wieder: Sie haben „Integrationsvolontariate“ bei Alex TV bekommen. Seit Mai bloggen sie und drehen Filme – zum Beispiel haben sie schon von der re publica oder vom Karneval der Kulturen berichtet. Am Freitag stellte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) dieses und andere Projekte vor, die der Integration von Geflüchteten dienen.

Eines dieser Projekte ist ein dreisprachiges Willkommensportal, das Angebote öffentlich-rechtlicher und anderer Sender bündelt. Unter den Kategorien Nachrichten, Sprache, Unterhaltung, Service können Geflüchtete und Helfer Videos und Texte finden, die bei der Orientierung in Deutschland helfen – auch Kinderfilme mit arabischen Untertiteln.

Geflüchtete Journalisten haben es besonders schwer, in ihrem Beruf zu arbeiten

Die speziellen Volontariate für die jungen Journalisten aus Syrien, Afghanistan und Aserbaidschan haben das Ziel, so der MABB-Intergrationsbeauftragte David Bedürftig, die drei zu befähigen, ihren Weg in die deutsche Medienlandschaft zu finden. „Es ist wichtig, dass die Stimmen der Geflüchteten gehört werden und nicht nur über sie berichtet wird“, so Bedürftig. Geflüchtete Journalisten haben es besonders schwer, in ihrem Beruf zu arbeiten – die Anforderungen an die Sprachkenntnisse sind hoch. Insgesamt 18 Monate dauert die trimediale Ausbildung, die von der MABB finanziert wird, sie ist verbunden mit Sprachunterricht und Seminaren in der Evangelischen Journalistenschule sowie Praktika in Partnermedien wie der Deutschen Welle, n-tv, bild.de, Deutschlandradio, „taz“ und FluxFM.

Zu den Partnern gehört auch der Tagesspiegel, und im Tagesspiegel-Projekt #jetztschreibenwir haben zwei der Alex-TV-Volontäre ihre Arbeit in deutschen Medien begonnen: Ahmad Wali Temory beschrieb im Tagesspiegel seine abenteuerliche Flucht, Hiba Obaid berichtete in der Sonderausgabe #jetztschreibenwir vom Oktober 2016 über ihre Erfahrungen.

Wie kann es gelingen, dass auch andere Geflüchtete ihren Weg in deutsche Medien finden – und zwar dauerhaft, nicht nur für kurze Projekte? Noch sind Menschen mit Migrations- oder Fluchthintergrund in deutschen Medien stark unterrepräsentiert, ihr Anteil wird auf wenige Prozent geschätzt. Die WDR-Journalistin Alena Jabarine kritisierte das bei der Veranstaltung: „Alle Pressefreiheit nützt nichts, wenn die Redaktionen den Wert der Vielfalt nicht verstehen.“ Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt sagte: „Wir haben gelernt, dass es nicht reicht zu warten, bis sich geeignete Kandidaten bewerben. Wir müssen selbst etwas tun, Leute ansprechen und ermuntern.“ Gerade erst hat der Tagesspiegel einen Volontär aus Syrien eingestellt.

Jaafar Abdul Karim, der mit seiner Sendung „Shababtalk“ (Deutsche Welle) ein Millionenpublikum in der arabischen Welt erreicht, gab jungen Journalisten den Rat, sich selbst nicht nur als Migranten zu definieren: „Zuerst bin ich ein Journalist – der außerdem noch Arabisch kann.“

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