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Medien: Joachim Fest und seine Festung

3sat gratuliert zum 79. Geburtstag des Historikers

„Fabelhaft“, – Joachim Fest ist ganz hingerissen, als er in seinem alten RIAS-Büro seinen Essay aus den Fünfzigern über das Versagen der Intellektuellen im Dritten Reich vorgespielt bekommt. „Ich bin ganz erstaunt über mich. Habe ich mit Ende zwanzig geschrieben.“ Und mit Behagen wird er auch einem Porträt zuschauen können, mit dem ihm heute kurz vor dem Fest 3sat ehrwürdig zum 79. Geburtstag gratuliert.

Das Fernsehen meldet sich zum Hausbesuch an. Fests Wohnhaus gleicht mit seinem fensterlosen Portal einer Festung. Als in den Achtzigern draußen die Historikerwellen tobten, konnte der Bürger Fest hier, in seinem Bunker, überwintern. Im Keller herrscht dagegen immer noch Diktatur – bis unter die Decke stapeln sich die Hitler-Bücher.

Seit den Fünfzigen zählt Fest – zuerst im Funk, dann als NDR-Chefredakteur im Fernsehen – zu den ersten Geschichtsaufarbeitern des Landes. Lange bevor die Linke Auschwitz als Thema moralischer Erregung entdeckte, vernahm Fest dazu Albert Speer. Heute wird ihm in der Nachfolge des Breloer-Films über Speer der Vorwurf gemacht, den Legenden von „Führers Liebling“ allzu willig aufgesessen zu sein – auch in seinem Geburtstagsporträt wird ihm kurz und pflichtschuldig mit einem neu aufgetauchten Speer-Dokument unter der Nase gewedelt.

Aber das ist der einzige zarte Widerspruch. Keine weiteren nervigen Fragen zu Reich-Ranicki, mit dem Fest öffentlich gebrochen hat. Lieber begibt sich der Film auf Spurensuche in seiner Geburtsstadt Berlin. Kurz sehen wir ihn mit Regenschirm vor seinem Elternhaus in Karlshorst stehen, schon öffnen sich die Türen der Paris-Bar, wo Fest in heiterer Runde auf die Berliner Freunde Arnulf Baring und Michael Stürmer trifft. Ob der drohende „Untergang“ der Paris-Bar auch Thema dieser konservativen „Untergangs“-Historiker war?

Allzu sehr lässt sich der Film von Fests Diskretionsgeboten anstecken. Alles Familiäre oder Persönliche, was der Figur Fest Farbe hätte geben können, spart er aus. Obwohl es da doch durchaus etwas zu erzählen gäbe: Als Chefs von Rowohlt und Bild zählen seine beiden Söhne Alexander und Nicolaus längst selbst zu den Meinungsmachern der Republik. Was gäbe das nach all den Verfilmungen über die „Manns“ tollen Stoff für eine bundesrepublikanische Familiensaga: „Die Fests“.

Aber dazu sitzt die konservative Bürgermaske vorerst noch zu fest. Noch nicht einmal der ehemalige Feuilleton-Chef will preisgeben, wie es heute um die innere Liberalität seiner alten Zeitung, der „FAZ“, bestellt ist. Beim Umgang mit seinem umtriebigen Nachfolger Frank Schirrmacher mag ihm jene Lebensregel helfen, die er seit dem Krieg in seiner Brieftasche mit sich führt und am Ende in die Kamera hält: „Ertrage die Clowns“.

„Kulturzeit extra: Hitler und kein Ende – Joachim Fests Jahrhundertbilanz“: 3sat, 19 Uhr 20

Stephan Schlak

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