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Testlauf. 2004 präsentierte die Berliner Moderatorin Shelly Kupferberg „Jüdische Woche TV“. Nun will das Format einen Neustart wagen.

© /Kai-Uwe Heinrich

"Jüdische Woche TV": Kommt jüdisches Leben im deutschen Fernsehen zu kurz?

Filmemacher Janusch Kozminski möchte eigene Sendezeit für ein Fernsehformat aus Perspektive des Judentums bekommen. Doch das Projekt ist umstritten.

Ein Davidstern auf der deutschen Flagge, ein Jude, der mit Kippa über das Oktoberfest flaniert und koscheres Essen mit einfachen Worten erklärt. So sah jüdisches Fernsehen 2004 im Programm von RTL schon einmal aus. Für ein paar Folgen „Jüdische Woche TV“, probeweise. Nun soll es wiederkommen. Professioneller, polarisierender und mit dem Anspruch, jüdisches Leben der Gegenwart in die Wohnzimmer zu bringen. Es bleibt die Frage: Wer braucht die neue Sendung? Die Fernsehanstalten winken ab, und die jüdische Community ist sich uneins. Auch – aber nicht nur – weil das Projekt „Jüdische Woche TV“ vom Münchner Produzenten Janusch Kozminski geleitet wird.

Mitte Oktober hat Kozminski einen Antrag auf Drittsendezeit bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM), die für den Privatsender RTL zuständig ist, gestellt. Wie alle bundesweiten Privatstationen mit einem durchschnittlichen Zuschauermarktanteil von mehr als zehn Prozent muss auch RTL unabhängigen Programmen wöchentliche Sendezeit einräumen. Derzeit insgesamt 180 Minuten. Jetzt wurden die Sendeplätze neu ausgeschrieben und „Jüdische Woche TV“ will einen Anteil daran. In seinem Schreiben an die NLM fährt Kozminski schwere Geschütze auf, vermutet Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft und wolle deshalb neue Perspektiven in die Medienlandschaft bringen. Die jüdische Sichtweise komme im öffentlichen Diskurs zu kurz, wie er in einem Appell an die Landesmedienanstalt am Beispiel der Beschneidungsdebatte beschreibt: „Wenn die Justiz, die sich jetzt für Jahrtausende zuständig fühlt, sich damals doch nur für zwölf Jahre zuständig gefühlt hätte, als Deutsche nicht nur Körperverletzung an Juden betrieben, sondern Mord und Totschlag.“

Da ist es wieder: Das Judentum als Problem, das in vielen Köpfen sofort mit dem Holocaust, Nazis und Antisemitismus assoziiert wird. Dabei wollte „Jüdische Woche TV“ genau das nicht. Lieber „Normalität darstellen“, wie Kozminski sagt, und „kluge, aufklärende, humorvolle Sendungen zu jüdischen Themen machen“. Stefanie Schüler-Springorum, Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, findet diesen Ansatz wünschenswert. Die Zuschauer müssten mit zeitgenössischen Themen überrascht werden. Im Fernsehen würden oft nur alte Klischees bestätigt. „Generell brauchen wir eine größere Pluralisierung der Perspektiven in der Medienlandschaft.“, sagt Schüler-Springorum. Auch Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, hält jüdisches Leben der Gegenwart im Fernsehen für unterrepräsentiert. Ein Format wie das von Kozminski geplante könne sinnvoll sein, wenn es tagespolitische Themen aufgreife und das Gemeinsame von Juden und Nicht-Juden in den Mittelpunkt stelle.

Zentralrat der Juden: "Wir brauchen so eine Sendung nicht."

Sarah Liebermann möchte neue Moderatorin bei "Jüdische Woche TV" werden.
Sarah Liebermann möchte neue Moderatorin bei "Jüdische Woche TV" werden.

© privat

Ob Kozminski dafür allerdings der Richtige ist, daran scheiden sich die Geister. Zwar hat er seit 1983 schon Dutzende Filme zu jüdischen Themen produziert und seine Produktionen werden mit Geld namhafter Spender finanziert, doch der Zentralrat der Juden will sich nicht beteiligen: „Wir brauchen solch eine Sendung in Deutschland nicht“, sagt Generalsekretär Stephan Kramer. „Herr Kozminski wendet sich bereits seit zehn Jahren mit seinen Anliegen an uns.“ In der Medienlandschaft sei jüdisches Leben ausreichend vertreten, zumal der Zentralrat in allen Fernsehbeiräten einen Sitz habe. Dass er sich prinzipiell zu nichts äußere, was Kozminski tue, ist noch das Netteste, was Autor Henryk M. Broder zu dem Thema zu sagen hat. Dabei gilt Broder selbst zumindest der ARD als Beweis, dass jüdisches Leben im Fernsehen ausreichend behandelt wird. Neben dessen Sendung „Entweder Broder“, bei der der polnische Jude mit einem ägyptischen Muslim durch Deutschland reist, stehe das Judentum in der Berichterstattung bereits „mit im Fokus“, sagt ARD-Sprecher Burchard Röver. Neben dem „Wort zum Sonntag“ sei keine religiöse Wochensendung geplant.

RTL, das sich mit der Landesmedienanstalt auf einen Bewerber für die Drittsendezeit einigen muss, wollte sich aufgrund des laufenden Auswahlverfahrens nicht äußern. Eine Vorentscheidung wird frühestens Mitte November erwartet. Außer „Jüdische Woche TV“ bewerben sich noch neun weitere Produktionsfirmen auf die neue Sendeschiene, die für montags am Abend und samstags am Morgen ausgeschrieben ist. Darunter auch die etablierte Produktionsfirma DCTP, die seit Jahren die Drittsendezeit auf RTL mit „Spiegel TV“ bespielt und AZ-Media, die unter anderem das Parlamentsfernsehen für den Deutschen Bundestag produziert.

Sarah Liebermann hofft, dass es trotzdem klappt. Die 25-Jährige will Moderatorin bei dem jüdischen Format werden: „Leute in meinem Alter interessieren sich sonst kaum noch für Religion und religiöse Themen. Über das Fernsehen können wir sie erreichen.“

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