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Jugend, verzweifelt gesucht: „Jein“ zum Jugendkanal von ARD und ZDF

Die Ministerpräsidenten haben den Jugendkanal von ARD und ZDF. Die Sender müssen bei Konzept und Finanzierung nachbessern- die Intendanten verbreiteten trotzdem Optimismus.

Nur aufgeschoben oder gar aufgehoben? Die Ministerpräsidenten haben den geplanten Jugendkanal von ARD und ZDF erst einmal gestoppt. Die Konferenz der Länderchefs gab dem Projekt nicht die Zustimmung, auf dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender an dessen praktische Umsetzung machen könnten. Die Intendanten verbreiteten trotzdem Optimismus. In einer gemeinsamen Presseerklärung hieß es, die Sender würden dem Wunsch nach Klärung weiterer Detailfragen nachkommen. ARD und ZDF stünden unverändert zum Konzept eines Jugendprogramms.

„Ich freue mich, dass die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten dem Vorhaben grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber stehen“, sagte der ARD-Vorsitzende und NDR-Intendant Lutz Marmor. ZDF-Chef Thomas Bellut und er hätten den Ländern zugesagt, die Finanzobergrenze von jährlich 45 Millionen einzuhalten und keine Beitragserhöhung zu beantragen. Die Sender würden weiter um die Unterstützung aller Länder werben. Die Ministerpräsidenten hatten ARD und ZDF gebeten, das vorhandene Digitalkonzept zu überarbeiten. Bislang haben ARD und ZDF je drei Digitalkanäle. Bei einer Entscheidung für den Jugendkanal würden ZDFkultur sowie bei der ARD EinsPlus und EinsFestival entfallen.

Beim Jugendprogramm fürchtet die Rundfunkpolitik offenbar, dass sie den Sendern einen Blankoscheck ausstellt. Sie will sichergehen, dass die Kombination aus Jugendoffensive und Neuordnung des Digitalbouquets den Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro monatlich nicht erhöht.

Oder ist da Einsicht in eine fragwürdige Programmentwicklung? Der Jugendkanal soll 2015 starten und über den Rundfunkbeitrag finanziert werden: Zum verkündeten Jahresbudget von 45 Millionen Euro steuern die ARD-Sender 30 Millionen Euro bei, das ZDF 15 Millionen. Die Aufteilung reflektiert die Einkommensverhältnisse aus dem Rundfunkbeitrag, aber nicht nur. Die ARD will das neue Programm deutlich mehr als das ZDF. Dem Zweiten ist im Segment der öffentlich-rechtlichen Digitalkanäle etwas gelungen, was der öffentlich-rechtliche Bruder und Konkurrent nicht geschafft hat: Erfolg bei der Jugend – mit ZDFneo, das einen Marktanteil auf 1,1 Prozent ausbilden konnte.

Hier fangen die Merkwürdigkeiten an. Das ZDF nennt ZDFneo „essenziell für die ZDF-Programmfamilie“. In der angestrebten Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Digitalbouquets gibt der Mainzer Sender ZDFkultur auf, um ZDFneo wie auch ZDFinfo zu retten. Die ARD streicht EinsFestival und EinsPlus und behält tagesschau24 plus sowie den neuen Jugendkanal.

Ist die geforderte Reduzierung der bislang sechs digitalen Angebote tatsächlich eine Neuordnung? tagesschau24, ZDFinfo und das gemeinsam betriebene Phoenix-Programm bieten im Informationsbereich weiterhin mehr vom Gleichen. Sie machen sich Konkurrenz, von den privatwirtschaftlich riskierten Kanälen N 24 und n-tv ganz zu schweigen. Es riecht nach weiterer „Kanalverstopfung“.

Mit dem Jugendkanal suchen Teile der Rundfunkpolitik und Sender andere Erfolge. Nicht wenige Medienreferenten sehen die Jugend als verloren – verloren an die „Kinderverderber“ von ProSieben, RTL und RTL 2. Ja, das Format „Berlin – Tag und Nacht“ ist pädagogisch nicht wertvoll. Aber es spiegelt eine (inszenierte) Lebenswirklichkeit wider, mit der Jugendliche viel anfangen können. ARD und ZDF haben diese Lebenswirklichkeit aus den Augen verloren, regelrecht aus ihren Haupt- und Nebenprogrammen vertrieben. Es ist ein klares Versagen, dass das Durchschnittsalter der Publika von ARD und ZDF bei 60 Jahren liegt, in den Dritten gar bei 63 Jahren. Wer Erwachsenen- und Seniorenprogramm anbietet, zieht genau die Zuschauer an, die er vielleicht nicht haben wollte, aber nur haben konnte.

Ein Jugendkanal soll das heilen, getreu der Vorstellung und dem eigenen Anspruch, öffentlich-rechtliches Fernsehen müsse seine Zuschauer und Zahler von der Wiege (Kika) bis zur Bahre (Dritte) begleiten. Das Publikum zwischen 14 und 29 Jahren darf als schwierigste Kundschaft für traditionelles, sprich lineares Fernsehen gelten. Hier sinkt die Nutzung, jugendaffine Programme wie ProSieben können ein echtes Klagelied davon singen. Dieses Publikum holt sich über Abrufplattformen wie Youtube legal und illegal das an Sendungen auf Bildschirm und Monitor, worauf hier und jetzt gleich Lust besteht.

Ein öffentlich-rechtlicher Jugendkanal mit Starttermin 2015 muss dieser Absetzbewegung sofort hinterhersenden. Abgesehen davon ist sehr diskutabel, ob das arrondierte Jugendfernsehen der Weg zur Jugend ist und nicht eine „Jugendrevolte“ im ersten und im zweiten Programm zielführender wäre.

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