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Medien: "Julia, eine ungewöhnliche Frau": Die perfekte Lady

Ja, sie ist eine Dame. Jedes Haar, jede Geste, jedes Lächeln sitzt.

Ja, sie ist eine Dame. Jedes Haar, jede Geste, jedes Lächeln sitzt. Kerzengerade steht sie da, Kinn oben, die Augenbrauen leicht hochgezogen, die braunen Augen stolz und fest aufs Gegenüber gerichtet. Der Inbegriff von Disziplin und Perfektion. So kennen wir sie. Als Gräfin in "Das Erbe der Guldenburgs" oder auch als heitere Bezirksrichterin in "Julia, eine ungewöhnliche Frau". Dann aber blitzt Schalk auf, bricht Temperament durch die beherrschte Fassade, und sie beginnt ein bisschen zu spielen. Die Schauspielerin Christiane Hörbiger spielt die Schauspielerin Christiane Hörbiger, die eine Dame spielt und zugleich diese Dame wirklich ist. Eine offenbar perfekte im leider gar nicht so perfekten Leben.

Ist Christiane Hörbiger also genau so wie diese "ungewöhnliche Frau" Julia, diese aufrechte, kluge, aber auch sehr bestimmende Richterin am Bezirksgericht in der österreichischen Kleinstadt Retz? Nein, "das ist eine Figur, die ist, wie ich gern sein möchte", sagt Frau Hörbiger. Oder ist sie vielleicht das, was sie daraus macht? Denn Julia ist ja eine Fernseh-Serien-Rolle - und damit eine Herausforderung für jede ambitionierte Schauspielerin. "Sie ist die Sympathieträgerin, da kann man mit Charakterfärbungen nicht viel anfangen", sagt Hörbiger, die perfekte Lady mit ihrem weichen wienerischen Tonfall, und umschreibt damit elegant das Muster aller Serien: Die Figuren sind zu flach, zu eindimensional, um wirklich lebendig sein zu können. "Da muss man mit seinen eigenen Erfahrungen und seinen echtesten Tönen arbeiten, um authentisch und glaubwürdig zu sein. Sonst schalten die Leute gleich ab." Und schon wird aus Julia doch Christiane Hörbiger selbst, und wir schauen ihr zu, wie sie mit winzigen, subtilen Mitteln - einem Tonfall, einem kleinen Blick, einem kurzen Zögern - der Figur biografische Tiefe verleiht. Einen Hauch Arroganz und Selbstgefälligkeit hier, Verletzlichkeit und Berührbarkeit hinter der toughen Erscheinung da. Und schon entsteht daraus ein facettenreicher Mensch, den das schlichte Drehbuch gar nicht so vorgesehen hat. "Das ist eine Frau, die das Näschen ein bisschen hoch getragen hat und einen draufkriegte", sagt Christiane Hörbiger, "aber das sind mehr meine eigenen Fantasien, mit denen ich sie anreichere."

Ist es dieser Reiz, aus ganz wenig ganz viel zu gestalten, der die große Bühnenschauspielerin dazu gebracht hat, sich der Fernsehunterhaltung hinzugeben? Oder lockt die Liebe eines Millionenpublikums?

Noch ehe sie, die Tochter von Paula Wessely und Paul Hörbiger, Nichte von Attila Hörbiger und damit einschlägig disponiert, je auf der Bühne stand, agierte sie vor Kameras. Und galt sofort als großes Talent. Siebzehn Jahre war sie damals und piepste mit Kinderstimmchen, weil sie das für richtig hielt. Dann kam das Theater-Debüt, gleich am Wiener Burgtheater und mit einer großen, schweren Rolle: Sie gab die Recha in "Nathan der Weise" von Lessing. Sie hatte nie zuvor Schauspielunterricht genossen, hatte nur vierzehn Tage geprobt, aber trotzdem bekam sie Applaus für den Auftritt - und schwerste Verrisse. "Ich muss furchtbar gewesen sein", sagt sie heute und lacht. Die Schauspiel-Ausbildung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar musste sie abbrechen, weil sie aufs Filmen nicht verzichten wollte - die Puristen vom Reinhardt-Seminar hatten das damals verboten. Also nahm sie Privatunterricht bei der Burgschauspielerin Alma Seidler. Erste Lorbeeren in Heidelberg, zurück an die Burg, weil sie es "den Wienern, den Kritikern, den Eltern" zeigen wollte - und dann rasch weg nach Zürich. Weg von den Vergleichen mit der schönen, begnadeten Mutter, weg von den Belastungen durch die legendäre Familie. "Das war mit das Gescheiteste, was ich in meinem Leben getan habe", so Hörbiger heute. Hinein in ein Ensemble mit seinen festen Strukturen und in die großen Rollen des Theaters. Parallel dazu immer wieder Film, bald auch Fernsehen. "Körpersprache ist weniger gefragt vor der Kamera, so kann ich meine Gedanken besser vermitteln. Ich kann ganz bei mir sein."

In den 80er Jahren kam dann "Das Erbe der Guldenburgs". Die dritte Fernsehserie war das erst - nach der "Schwarzwaldklinik" und "Ich heirate eine Familie". "Ich wollte aus dem engen Theatergerüst raus, wollte unabhängig sein. Und ich wollte Geschichten spielen, die meiner eigenen Romantik nahekommen".

Der Erfolg war sofort da: Dreizehn Millionen sahen ihr zu, sie wurde auf den Straßen und in den Restaurants erkannt. Die Menschen strömten ins Theater, auch wenn sie eine Thomas-Mann-Novelle spielte - sie wollten die Gräfin Guldenburg mal aus der Nähe sehen. Und begegneten nebenbei Thomas Mann. "Ist das nicht wunderbar?"

Und so vereint Christiane Hörbiger mühelos und ohne jeden Zynismus die hohe Theaterliteratur mit den Träumen der Fernsehunterhaltung. "Bei großen Schauspielern geht es ums Leben, auch wenn sie nur einen Satz reden. Es ist das Einbringen von allen Erfahrungen, von allem Können in dem Moment, wo man dran ist. Egal ob vor der Kamera oder wenn der Vorhang aufgeht."

Eine Rolle möchte sie auf der Bühne noch spielen: Den "Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt. Und fürs Fernsehen möchte sie gern selbst eine Figur entwickeln. Träume. Es geht weiter, immer weiter, ans Altern kann, mag sie dabei gar nicht denken. Wie Julia, diese Identifikationsfigur für Mütter wie für Töchter: "Sie fängt immer noch einmal an. Sie gibt nicht auf."

Mechthild Zschau

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