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Medien: Kamera läuft!

Bundesverfassungsgericht hebt Filmverbot im Prozess gegen Bundeswehroffiziere auf

Der Versuch des Landgerichts Münster, den Prozess gegen Bundeswehroffiziere wegen Rekrutenmisshandlungen ohne Foto- und Filmaufnahmen durchzuführen, ist gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am Freitag angeordnet, dass das ZDF vor Verhandlungsbeginn und nach Verhandlungsende filmen darf. Der Vorsitzende Richter der 8. Strafkammer muss sicherstellen, dass dabei Richter und Schöffen im Sitzungssaal anwesend sind. Die Gesichter der 18 angeklagten Bundeswehrausbilder müssen allerdings unkenntlich gemacht werden. Mit der einstimmigen Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte der Eilantrag des ZDF weitgehend Erfolg. Der Prozess in Münster beginnt am kommenden Montag. Den Unteroffizieren wird vorgeworfen, Rekruten in einer Kaserne im westfälischen Coesfeld misshandelt zu haben. Der Fall hatte schon bei Bekanntwerden der Vorwürfe große Aufmerksamkeit erregt.

Der zuständige Vorsitzende Richter am Landgerichts Münster ordnete dann aber ein Film- und Fotoverbot rund um die Hauptverhandlung an. Die Sperrzeit von 15 Minuten vor beziehungsweise zehn Minuten nach der Verhandlung hatte zum Ziel, dass Schöffen, Richter, Anwälte und Angeklagte den Sitzungssaal verlassen können, bevor Fotografen und Kameraleute Aufnahmen machen. Nach dem Gesetz sind Film- und Fotoaufnahmen nur während der Hauptverhandlung untersagt. Der Vorsitzende begründete seinen ungewöhnlichen Vorstoß mit den Persönlichkeitsrechten der Verfahrensbeteiligten und einer „ungehinderten Wahrheitsfindung“. Zudem seien die Schöffen vor dem Druck einer Medienberichterstattung zu schützen, die ihre Entscheidungsfindung beeinflussen könnte.

Die Kammer des Bundesverfassungsgerichts stellte dagegen fest, dass die Belange der Pressefreiheit Vorrang hätten. Es bestehe ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Demgegenüber stünden Schöffen und Richter anlässlich der öffentlichen Verhandlung ohnehin im Blickfeld der Medienöffentlichkeit. Es sei auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Wahrheitsfindung durch Filmaufnahmen von den Angeklagten und ihren Verteidigern beeinträchtigt werde. Rechtsanwälte hätten als Organ der Rechtspflege grundsätzlich Aufnahmen hinzunehmen, sofern an dem Verfahren ein öffentliches Informationsinteresse bestehe.

Bei Unteroffizieren der Bundeswehr dürfe vorausgesetzt werden, dass sie „sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten Situationen gewachsen zeigen“, heißt es im Beschluss. Durch die gebotene Anonymisierung seien die zu erwartenden Nachteile gering. Die drei Verfassungsrichter kamen bei der in Eilverfahren üblichen Folgenabwägung zum Ergebnis, dass die Nachteile für die Medien bei einem Filmverbot gravierender seien als die Nachteile der Verfahrensbeteiligten, die mit der Veröffentlichung von Filmaufnahmen verbunden seien.

Da bisher nur über den Eilantrag entschieden wurde, wird die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Da das ZDF aber bereits vor Jahren im Honecker-Prozess eine Filmerlaubnis vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt hatte, wird erwartet, dass der Sender auch im späteren Hauptsacheverfahren Erfolg haben wird. (Aktenzeichen: 2 BvR 620/07)

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