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Medien: Kampf um jeden Cent

Fast eine Sensation: Die Gebührendebatte bei Sat 1 interessiert das Fernsehpublikum

Wie um alles in der Welt bekommt man Sex in ein Thema, das absolut keinen Sex hat: die künftige Höhe der monatlichen Gebühren für ARD und ZDF? Sat 1 verfiel auf die Idee, am Sonntagabend die üblichen Betroffenen – Ministerpräsidenten, Privatsenderchef, WDR-Intendant – mit den Publikumslieblingen Thomas Gottschalk und Günther Jauch in einer Diskussionsrunde zu versammeln. Gottschalk schlüpfte in die ZDF-Intendantenrolle. Nur vier, fünf Euro der Gebühren gingen ans ZDF, und wenn das nicht reiche, dann müssten die Gebühren halt steigen. Auch der mit RTL zum Millionär gewordene Günther Jauch wollte trotz der festgestellten Fettlebe bei ARD und ZDF auf diese Sender nicht verzichten. Was Jauch als diskutablen Vorschlag aus der Tasche zog: die saubere Abgrenzung von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk nach britischem Modell. Dort bekommt die BBC nur Gebühren, Werbegeld finanziert nur die private Konkurrenz.

Jauch trug seinen Vorschlag spät, zu spät in die Runde. Premiere-Chef Georg Kofler hatte bereits ARD und ZDF attackiert; „talibanös“, wie Jauch anmerkte. Mit Koflers Keifereien war es geschafft: Das Aktendeckel-Thema mit Parolen und Emotionen aufzuladen. Genutzt hat es dem Thema nicht. WDR-Intendant Fritz Pleitgen zahlte heim, wo er nur heimzahlen konnte, und tat, was die bevorzugte Haltung war: Den Gegner mit frechweg behaupteten Zahlen mundtot machen. Laut Pleitgen werden die Privatsender 2008 über mehr Geld verfügen als ARD und ZDF. Auch darauf ging keiner ein, wie auch, in der überbesetzten Runde hatten längst nicht alle Teilnehmer ihr Mantra abgesetzt. Der wie stets in sich verbissene Edmund Stoiber, CSU-Ministerpräsident in Bayern, betonte, dass die Politik, wenn sie den Bürgern auf allen Gebieten Einsparungen zumute, die öffentlich-rechtlichen Funkhäuser nicht aussparen könne.

Moderator Claus Strunz blieb begeistert. Er sah das Thema Gebühren auf Augenhöhe mit dem Thema Landtagswahlen. In dieser Sichtweise werden nicht viele, aber die Richtigen mit ihm sein. Strunz ist Chefredakteur der „Bild am Sonntag“, das Blatt wird ebenso von Springer verlegt wie die „Bild“. Die Zeitung setzte die Attacke am Montag gleich fort: „TV-Gebühren sollen auf über 17 Euro steigen!“ Springer ist an der Pro 7 Sat 1 Media AG beteiligt und hat starke Eigeninteressen beim Privatfernsehen.

Trotzdem, es bleibt eine bemerkenswerte Tat, dass Sat 1 sich eines Themas annahm, zu dessen öffentlicher Diskussion ARD und ZDF zu feige sind. Und der Privatsender wurde belohnt. „Was erlauben Strunz“ erreichte respektable 1,55 Millionen Zuschauer (Marktanteil 8,4 Prozent). Die Sensation dabei ist der Marktanteil von 9,7 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Das von Sat 1 heftig beworbene Vorläufer-Programm „Kämpf um deine Frau“ fiel mit 1,59 Millionen Zuschauern durch. Was heißt: Die Zukunft von Sat 1 liegt im öffentlich-rechtlichen Talk und nicht in der privaten Show. Gewollt war das nicht.

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