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Medien: „Kein Drama, keine Fahnenflucht“

Wolfram Weimer tritt als Chefredakteur von „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ab

Lisa Stocker

und Joachim Huber

Wolfram Weimer gibt die Chefredaktion der Tageszeitungen „Die Welt“ und „Berliner Morgenpost“ auf. Sein Stellvertreter Jan-Eric Peters wird nach Angaben des Axel Springer Verlages „zum 1. Januar 2003 die Redaktionsleitung beider Titel bis auf weiteres übernehmen“. In der Redaktionskonferenz beider Blätter am Mittwoch in Berlin sagte Weimer, er habe den Vorstand des Axel Springer Verlages gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Es sei „eine persönliche Entscheidung“, sie sei schon länger in ihm gereift. Sein Weggang, erklärte er den Redakteuren, sei „kein Drama, keine Fahnenflucht“. Weimer verlässt den Springer Verlag Ende des Jahres, danach wolle er sich „neuen beruflichen Aufgaben“ zuwenden. Welchen, das ließ er offen.

Weimer bemühte sich um den Eindruck, dass er nach vier Jahren Arbeit für die „Welt“ und fast einem Jahr auch für die „Berliner Morgenpost“ am Ende einer Wegstrecke angelangt sei. „Zwei große Aufgaben“ konnte er bewältigen: „Die Welt“ an die Spitze der Publizistik bringen, und die Zusammenführung von „Welt“ und „Morgenpost“ früher als geplant abschließen. Der ebenfalls anwesende Vorstandsvorsitzende des Springer Verlages, Mathias Döpfner, bedauerte Weimers Schritt. Er hätte den Redaktionen einen erneuten Wechsel an der Spitze gerne erspart, um so wichtiger seien jetzt „Ruhe und Kontinuität“. Kontinuität in der Ausrichtung der Blätter, Kontinuität beim Spitzenpersonal: Hier Peters an der redaktionellen Spitze, dort der Herausgeber Dieter Stolte. Der 37-jährige Peters, bisher mehr für die „Morgenpost“ zuständig, muss sich bewähren, nimmt seine neue Funktion als Stellvertreter des Chefredakteurs und (noch) nicht als Chefredakteur wahr. Parallel wird im Haus und außerhalb nach einem Nachfolger gesucht.

Weimers Abschied von Springer bedeutet das Ende der engen Zusammenarbeit mit seinem Duz-Freund Mathias Döpfner. Im Verlag hießen die Zwei-Meter-Männer nur die „Twin Towers“; beide haben Villen in Potsdams Berliner Vorstadt, pflegen sehr enge familäre Bindungen – nichts schien den 37-jährigen Weimer und den 39-jährigen Döpfner auseinanderbringen zu können. Als Döpfner 1998 Chefredakteur der „Welt“ wurde und den damaligen Spanien-Korrespondenten der „FAZ“ Weimer als Stellvertreter nach Berlin holte, wurde das konservative Blatt zu neuem Leben erweckt, die Auflage stieg. Eine Entwicklung, die zunächst auch nach dem November 2000 anhielt: damals rückte Weimer zum Chefredakteur auf, denn Döpfner war Richtung Vorstandsvorsitz unterwegs. Im dritten Quartal 2001 lag die verkaufte Auflage der „Welt“ bei 263 589 Exemplaren. Seitdem sinkt sie, im dritten Quartal 2002 wurden noch 238 412 Exemplare gemeldet. Springer-Sprecherin Edda Fels sagte, der Verlag sei nicht länger an „gekaufter Auflage, sondern an rentabel steigenden Auflagen interessiert“. Da sei es, nicht nur bei der „Welt“, zu „Bereinigungen“ gekommen.

Trotzdem, die „Welt“ war mit dem Doppel Döpfner/Weimer erfolgreicher und in ihrer politischen Facon spannungsreicher, was auch an den neuen Autoren lag, die von der „taz“ bis zur „FAZ“ kommen konnten. Um aus Döpfners Schatten herauszutreten, rief der promovierte Wirtschaftshistoriker Weimer die „Welt“ als Leitmedium für die Wirtschaftselite aus. Liberal war er im Kanon des Wirtschaftsliberalismus.

Als im Zuge der Anzeigen- und Auflagenkrise „Welt“ und „Morgenpost“ fusioniert wurden, sprach Döpfner von „erheblichen Synergiepotenzialen“, und Weimer war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Eine Devise aber galt längst nicht mehr: „Die Welt“ dürfe kosten, was sie wolle, und werde mit den Gewinnen anderer Objekte finanziert. Zwischen Weimer und Döpfner wuchsen die Differenzen über die Ausrichtung und die finanzielle Ausstattung der „Welt“. Von Weimer wurde kolportiert, er möchte nicht als „Totengräber“ des Blattes dastehen. Lieber wollte der ehrgeizige Weimer noch die „Welt am Sonntag“, die auch Döpfner im Vergleich zur „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ an zweiter Stelle sieht, in seine eigene Chefredaktion eingliedern. Das angeknackste Vertrauensverhältnis mit Döpfner zerbrach endgültig, als es Ende Oktober hieß, Weimer wolle als Chefredakteur das Herausgeber-Kollegium der „FAZ“ ablösen. Offenbar waren bereits Gesprächstermine in Frankfurt vereinbart worden. Döpfner soll „stinksauer“ reagiert haben. Trotzdem wurde in der Redaktionskonferenz am Mittwoch dementiert, dass Weimers Abschied in Zusammenhang mit der „FAZ“-Kabale stehe. Weimers Schlussworte: „Tschüss Mathias“.

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