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Medien: Kein Hitzefrei

Alle Polit-Sendungen bereiten sich auf den Wahlkampf vor. Die traditionelle Sommerpause entfällt oder wird zumindest verkürzt

Politisches Fernsehen scheint flexibel zu machen. Hat sich die Aufregung um die angekündigten Neuwahlen im September in den Redaktionen der Polit-Sendungen doch rasch gelegt. Sogar die Urlaubsplanung ist bei den meisten Redakteuren unter Dach und Fach. Auch was die Arbeitsbedingungen angeht, zeigt man sich beweglich. So besucht Thomas Roth für den „Bericht aus Berlin“ die Parteichefs und den Bundeskanzler für die üblichen Sommerinterviews im Wahlkampf. Normalerweise, ohne aktuellen Wahlkampf, hätte man sich im Sony-Center am Potsdamer Platz mit Blick auf den Reichstag getroffen. Dazu haben viele Politiker in diesem Jahr keine Zeit. Der Chef des ARD-Hauptstadtstudios hofft, dass sich wegen des heißen Wahlkampfs mehr Zuschauer die Interviews anschauen werden als in den vergangenen Jahren. Da sahen zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Menschen die Sommerinterviews der ARD. Im ZDF sind es durchschnittlich 2,74 Millionen gewesen.

Deswegen gilt im September: Urlaubssperre beim „Bericht aus Berlin“. Roth möchte mit Moderatoren wie Günther Jauch nicht tauschen. Jauch hat bei „Wer wird Millionär?“ drei Monate frei. „Wir sind froh, wenn wir an den Ereignissen dran sein können“, sagt Roth. Nur aus den Terminen der Sommerinterviews macht der Moderator ein Geheimnis.

Anders beim ZDF. Hier sind die Termine der Sommerinterviews von „Berlin direkt“ öffentlich. Als Auftakt hatte die Redaktion ein Gespräch mit dem Bundespräsidenten für den 10. Juli vorgesehen. Doch Horst Köhler gibt dann keine Interviews. Der Grund: Der Termin fällt in die Zeit, in der Köhler über die Auflösung des Bundestages und Neuwahlen entscheiden muss. Doch Peter Hahne hat Ersatz gefunden: Ex-Bundespräsident Roman Herzog. „Er ist Verfassungsrechtler und ein Mann der deutlichen Worte“, sagt der Moderator von „Berlin direkt“. Zurzeit arbeiten zwölf Redakteure und Techniker an den Sommerinterviews. Sieben Wochen lang sind sie zwischen Norderney (Treffen mit Müntefering) und Südfrankreich (Stoiber) unterwegs. Eine Urlaubssperre gibt es bei „Berlin direkt“ nicht. Die Urlaubspläne würden den aktuellen Umständen angepasst, sagt Hahne. Er selbst hat seinen Septemberurlaub gestrichen – freiwillig. „Das ist der heißeste Sommer, den ich je erlebt habe.“ Beim ZDF erwartet man den Start der „Sommerinterviews“ in der ARD übrigens eine Woche zuvor, am 3. Juli – vielleicht sogar mit Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Auch bei „Sabine Christiansen“ hätte man in diesem Sommer am liebsten durchgearbeitet, sagt Georg Ramme von der Produktionsfirma TV21. Doch das habe die ARD-Programmplanung verhindert. So zeigt das Erste am 7. August nicht die Polit-Talkrunde, sondern voraussichtlich eine neue Dokumentation über „Die Tirpitz“, ein Kriegsschiff des Zweiten Weltkrieges. Aus ARD-Kreisen heißt es dazu, dass man Frau Christiansen 14 freie Tage gönne. Schließlich sei das ihr einziger Urlaub im Jahr. Ramme findet, dass seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen eine ganz andere Dynamik entstanden sei: „In diesem Sommer ist viel Bewegung drin.“ Sonst seien die Sommermonate nie so spannend. Bis zur voraussichtlichen Wahl im Herbst seien die Sendungen bereits jetzt durchgeplant. Den ganzen Sommer arbeiten müsste man hier also nicht.

Ganz anders ist das bei der WDR-Produktion „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg. Hier wird erst nach dem 1. Juli endgültig entschieden, wie es im Sommer weitergehen soll. Bestehende Überlegungen verrät die Redaktion nicht. Die letzte Sendung wird am 13. Juli laufen, dann zeigt der WDR erst einmal Spielfilme.

Den Nachrichtensender n-tv hat die Ankündigung der Neuwahlen offenbar nicht aus der Ruhe gebracht. „Wir sind ein Live-Sender, da wird das Programm ständig umgeschmissen“, sagt Sprecher Philip Hiersemenzel. Insofern sei man auf die Wahl vorbereitet. Doch auch hier muss über den Sommer noch einiges anders werden. Noch professioneller und spontaner wolle der Sender werden, so Hiersemenzel. Es sei eben kein normales Wahljahr. Alle Polit-Sendungen, darunter auch „Maischberger“ und „Das Duell“ mit Heiner Bremer, haben ihre Sommerpause um drei Wochen verkürzt.

Bei „Berlin Mitte“, der ZDF-Talkshow, gibt es nur eine kurze Sommerpause. Soweit man das planen könne, verlautet es aus der Redaktion, werde es vom 14. bis 28. Juli keine Sendungen geben. Das bedeute aber nicht, dass dann in der Redaktion nichts passiere. „Die Moderatorin Maybrit Illner darf sich von ,Berlin Mitte’ ein bisschen erholen. Aber die Maschinerie läuft weiter“, sagt Redakteurin Sabine Orner. Illner werde ab dem 13. Juli „Das Nachtduell“ moderieren, das das ZDF wiederbeleben will. Zur Wahl 2002 hatten Bodo H. Hauser und Ulrich Kienzle mit zwei Politikern diskutiert. Die Kollegen von „Berlin Mitte“ wechseln sich mit ihrem Urlaub ab. Alle zwei Wochen habe einer frei. Unmenschlich soll das Leben zu Wahlkampf-Zeiten ja nicht werden – auch nicht im politischen Fernsehen.

Birte Hedden

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